Sämtliche Dramen
nächsten Morgens,
Im Übermaß der Bosheit, fodert er
Des armen Bruders Haupt.
Herzog
.
Traun, höchst wahrscheinlich!
Isabella
.
O wär’ es so wahrscheinlich, als es wahr ist!
Herzog
.
Ha, töricht Ding, du weißt nicht, was du sprichst,
Oder bist zur Verleumdung angestiftet
Durch gift’gen Haß. Zuerst ist seine Tugend rein
Und fleckenlos; dann wär’ es widersinnig,
Mit solcher Tyrannei den Fehl zu strafen,
In den er selber fiel. Sündigt’ er also,
Dann wägt’ er deinen Bruder nach sich selbst,
Und nicht vertilgt’ er ihn. Nein, du bist angestiftet;
Gesteh’ es frei und sag, auf wessen Rat
Du diese Klage vorbringst?
Isabella
.
Ist dies alles?
Dann, o ihr gnadenreichen Engel droben,
Stärkt mit Geduld mich, und zu reifer Zeit
Entdeckt die Untat, die sich hier verhüllt
In höherm Schutz! Gott hüt’ Euch so vor Wehe,
Wie ich gekränkt, geschmäht von hinnen gehe!
Herzog
.
Ich weiß, Ihr gingt wohl gern – ruft einen Häscher,
Bringt sie in Haft! Wie! Sollt’ ich’s ruhig ansehn,
Daß Gift und Läst’rung treffe solchen Freund,
Der uns so nah? Gewiß! Hier waltet Trug.
Wer weiß von Euerm Plan? Und daß Ihr kamt?
Isabella
.
Einer, den ich her wünschte: Pater Ludwig.
Herzog
.
Ihr Beicht’ger wohl. – Kennt jemand diesen Ludwig?
Lucio
.
Ich kenn’ ihn, Herr: in alles mengt er sich,
Mir ist er widrig; schützt’ ihn nicht die Kutte, –
Um seine Reden wider Eure Hoheit,
Als Ihr entfernt, hätt’ ich ihn derb gebläut.
Herzog
.
Was, Reden wider mich? Welch saubrer Mönch! –
Und hier dies arme Mädchen anzuhetzen
Auf unsern Stellvertreter! Schafft den Mönch! –
Lucio
.
Noch gestern abend sah ich ihn, mein Fürst,
Mit ihr im Kerker; ’s ist ein frecher Bursch,
Ein schäbichter Gesell.
Peter
.
Gott schütz’ Eu’r Hoheit!
Ich war zugegen, gnäd’ger Fürst, und hörte
Eu’r fürstlich Ohr gemißbraucht. Den Regenten
Beschuldigt dieses Mädchen höchst verleumd’risch;
Der ist so frei von Sünd’ und Schuld mit ihr,
Als sie mit einem, der noch nicht geboren.
Herzog
.
Nicht Mind’res glaubten wir. –
Kennt Ihr den Pater Ludwig, den sie nannte?
Peter
.
Ich kenn’ ihn als ’nen frommen, heil’gen Mann,
Nicht frech, noch je in Weltliches sich mengend,
Wie dieser Herr von ihm vermeldete;
Und auf mein Wort, ein Mann, der nimmermehr,
Wie er behauptet, Eure Hoheit schmähte.
Lucio
.
Mein gnäd’ger Fürst, höchst ehrlos, glaubt mir das!
Peter
.
Gut, mit der Zeit rechtfertigt er sich wohl;
Doch eben jetzo liegt er krank, mein Fürst,
An heft’gem Fieber. Nur auf sein Gesuch
(Weil er erfuhr, daß eine Klage hier
Lord Angelo bedrohe,) kam ich her,
Zu zeugen, was er weiß, in seinem Namen,
Was wahr, was falsch; und was mit einem Eid
Und gültigem Beweis er dartun wird,
Ruft man ihn auf. Zuerst, dies Mädchen hier –
Den würd’gen Herrn Statthalter loszusprechen
So öffentlich und tödlich angeklagt –
Will ich der Lüge zeihn vor ihren Augen,
Daß sie es selbst gestehn soll.
Isabella wird weggeführt.
Herzog
.
Wohl! Laßt hören.
Belächelt Ihr dies nicht, Lord Angelo?
Über die Eitelkeit der armen Toren! –
Reicht Sessel her! Kommt, Vetter Angelo;
Ich will nur Hörer sein, sprecht Ihr als Richter
In Eurer eignen Sache! – Ist dies die Zeugin?
Mariane tritt vor.
Sie zeig’ uns ihr Gesicht und rede dann!
Mariane
.
Verzeiht, mein Fürst, nicht zeig’ ich mein Gesicht,
Bis mein Gemahl befiehlt.
Herzog
.
Seid Ihr vermählt?
Mariane
.
Nein, gnäd’ger Herr.
Herzog
.
Seid Ihr ein Mädchen?
Mariane
.
Nein.
Herzog
.
So seid Ihr Witwe?
Mariane
.
Auch nicht.
Herzog
.
Nun, dann seid Ihr
Gar nichts: nicht Mädchen, Witwe nicht, noch Frau.
Lucio
. Gnädiger Herr, es wird wohl ein Schätzchen sein, denn die sind gewöhnlich weder Mädchen, Witwen, noch Frauen.
Herzog
.
Schweigt doch den Menschen! Hätt’ er Ursach’ nur,
Zu schwatzen für sich selbst! –
Lucio
.
Gut, gnäd’ger Herr.
Mariane
.
Ich muß gestehn, ich war niemals vermählt,
Und ich gesteh’ es auch, ich bin kein Mädchen.
Ich hab’ erkannt ihn, doch mein Mann erkennt nicht,
Daß er mich je erkannt.
Lucio
. So war er also betrunken, gnädiger Herr; es kann nicht anders sein.
Herzog
. Ich wollt’, du wärst es auch: so schwiegst du endlich.
Lucio
. Gut, mein Fürst.
Herzog
. Dies ist kein Zeugnis für Lord Angelo.
Mariane
.
Nun komm’ ich drauf, mein Fürst,
Sie, die ihn anklagt um verletzte Zucht,
Dadurch
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