Sämtliche Dramen
wanket nicht; nichts fühl’ ich mehr
Vom Weib in mir: vom Kopf zu Fuß ganz bin ich
Nun marmorfest; der unbeständ’ge Mond
Ist mein Planet nicht mehr.
Der Soldat kommt zurück mit einem Bauer, welcher einen Korb trägt.
Soldat
.
Dies ist der Mann.
Cleopatra
.
Geh fort und laß ihn hier!
Soldat ab.
Hast du den art’gen Nilwurm mitgebracht,
Der tötet ohne Schmerz?
Bauer
. Ja freilich; aber ich möchte nicht der Mann sein, der’s Euch riete, Euch mit ihm abzugeben, denn sein Beißen ist ganz unsterblich: die, welche daran verscheiden, kommen selten oder nie wieder auf.
Cleopatra
. Weißt du von einem, der daran gestorben?
Bauer
. Sehr viele; Mannsleute und Frauensleute dazu: ich hörte ganz kürzlich, noch gestern, von einer, ein recht braves Weib, nur etwas dem Lügen ergeben (und das sollte eine Frau nie sein, außer in redlicher Art und Weise), die erzählte, wie sie an seinem Biß gestorben war, was sie für Schmerzen gefühlt. Mein’ Seel’, sie sagt viel Gutes von dem Wurm; aber wer den Leuten alles glauben will, was sie sagen, dem hilft nicht die Hälfte von dem, was sie tun. Das ist aber auf jeden Fall eine inkomplete Wahrheit: der Wurm ist ein kurioser Wurm.
Cleopatra
. Geh, mach’ dich fort, leb wohl!
Bauer
. Ich wünsche Euch viel Zeitvertreib von dem Wurm.
Cleopatra
. Leb wohl!
Bauer
. Das müßt Ihr bedenken, seht Ihr, daß der Wurm nicht von Art läßt.
Cleopatra
. Ja, ja, leb wohl!
Bauer
. Seht Ihr, dem Wurm ist nicht zu trauen, außer in gescheiter Leute Händen; denn mein’ Seel’, es steckt nichts Gutes in dem Wurm.
Cleopatra
. Sei unbesorgt, wir woll’n ihn hüten! –
Bauer
. Recht schön! Gebt ihm nichts, ich bitt’ Euch, er ist sein Futter nicht wert.
Cleopatra
. Wird er mich essen?
Bauer
. Denkt doch nicht, ich wäre so dumm, daß ich nicht wissen sollte, der Teufel selbst werde kein Weibsbild essen. Ich weiß, ein Weibsbild ist ein Gericht für die Götter, wenn’s der Teufel nicht zugerichtet hat; aber mein’ Seel’, diese Hurensöhne von Teufeln machen den Göttern viel Verdruß mit den Weibern: denn von jedem Dutzend, das sie erschaffen, verderben ihnen die Teufel sechse.
Cleopatra
. Nun geh nur, geh! Leb wohl!
Bauer
. Ja wahrhaftig, ich wünsche Euch viel Zeitvertreib von dem Wurm. Ab.
Iras kommt zurück mit Krone und Kleid.
Cleopatra
.
Den Mantel gib, setz’ mir die Krone auf,
Ich fühl’ ein Sehnen nach Unsterblichkeit!
Nun netzt kein Traubensaft die Lippe mehr. –
Rasch, gute Iras! Schnell! Mich dünkt, ich höre
Antonius’ Ruf: ich seh’ ihn sich erheben,
Mein edles Tun zu preisen; er verspottet
Des Cäsar Glück, das Zeus nur als Entschuld’gung
Zukünft’gen Zorns verleiht. Gemahl, ich komme! –
Jetzt schafft mein Mut ein Recht mir zu dem Titel!
Ganz Feu’r und Luft, geb’ ich dem niedern Leben
Die andern Elemente. – Seid ihr fertig,
So kommt, nehmt meiner Lippen letzte Wärme! –
Leb wohl, du gute Charmion! Liebste Iras,
Ein langes Lebewohl!
Küßt sie, Iras fällt hin und stirbt.
Hab’ ich die Natter auf der Lippe? Fällst du?
Kann sich Natur so freundlich von dir trennen?
So trifft uns Tod wie Händedruck des Liebsten,
Schmerzlich und doch ersehnt. Liegst du so still?
Wenn du so hinscheid’st, meldest du der Welt,
Sie sei nicht wert des Abschieds!
Charmion
.
Zerschmilz in Regen, trübe Luft, dann glaub’ ich,
Daß selbst die Götter weinen!
Cleopatra
.
Dies beschämt mich! –
Sieht sie zuerst Antonius’ lockig Haupt,
Wird er sie fragen und den Kuß verschwenden,
Der mir ein Himmel ist. – Komm, tödlich Spielzeug,
setzt die Schlange an ihre Brust
Dein scharfer Zahn löse mit eins des Lebens
Verwirrten Knoten! Armer, gift’ger Narr!
Sei zornig, mach’ ein End! O könnt’st du reden,
So hört’ ich dich den großen Cäsar schelten
Kurzsicht’gen Tropf!
Charmion
.
O Stern des Ostens!
Cleopatra
.
Still,
Siehst du den Säugling nicht an meiner Brust
In Schlaf die Amme saugen?
Charmion
.
Brich, mein Herz!
Cleopatra
.
So süß wie Tau! so mild wie Luft! so lieblich –
O mein Antonius! – Ja, dich nehm’ ich auch,
setzt eine zweite Schlange an ihren Arm
Was wart’ ich noch ...
Fällt zurück und stirbt.
Charmion
.
... in dieser öden Welt? So fahrewohl!
Nun triumphiere, Tod! du führtest heim
Das schönste Frau’nbild. Schließt euch, weiche Fenster!
Den goldnen Phöbus schaun hinfort nicht mehr
So königliche Augen. Deine Krone
Sitzt schief; ich richte sie: dann
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