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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Geschöpf,
    Zu schlecht, ihn schlecht zu nennen; der sie hat
    (Das heißt, dem sie vermählt, der Ärmste, ach!
    Deshalb verbannt) ist solch vollendet Wesen,
    Daß, wenn man auch den Erdkreis rings durchsuchte
    Nach einem, so wie er, stets blieb’ ein Mangel
    Dem, der sich ihm vergleicht: denn ich vermeine,
    Mit so viel innerm Wert und äußrer Schönheit
    Sei niemand sonst begabt.
    Zweiter Edelmann
.
    Ihr übertreibt.
    Erster Edelmann
.
    Ich mess’ ihn nur weit unter seiner Größe,
    Drück’ ihn zusammen, statt ihn zu entfalten
    In voller Macht.
    Zweiter Edelmann
.
    Wie ist sein Nam’ und Ursprung?
    Erster Edelmann
.
    Ich kenne seinen Stammbaum nicht. Sicilius,
    So hieß sein Vater, kämpft’ einst ruhmbekränzt
    Gegen die Römer, mit Cassibelan;
    Doch dem Tenantius dankt er seine Würden,
    Dem er mit Glanz und seltnem Glück gedient;
    So ward er Leonatus zubenannt.
    Er hatte, außer jenem edlen Sohn,
    Zwei andre noch, die, in dem Krieg der Zeit,
    Das Schwert in Händen, fielen, was des Greises
    Zu heft’ge Vaterliebe so erschüttert,
    Daß er sich tot gehärmt; sein edles Weib,
    Schwanger mit dem, von dem wir sprechen, starb
    Bei der Geburt. Da nimmt das Kind der König
    In seinen Schutz, und nennt ihn Posthumus Leonatus;
    Läßt ihn erziehn, macht ihn zu seinem Pagen,
    Zu jeder Wissenschaft ihm Zugang bahnend,
    Für die sein Alter reif. Das sog er ein,
    Wie wir die Luft, es augenblicks begreifend;
    Sein Frühling ward schon Ernt’; er lebt’ am Hofe
    (Ein seltner Fall!) in Lieb’ und Lob der Erste;
    Dem Jüngsten Musterbild, dem Reiferen
    Ein Spiegel für des Schmucks Vollendung, und
    Ein Kind den Ernstern, die zu Toren wurden,
    Um führen sich zu lassen; seiner Gattin,
    Für die er jetzt verbannt, – ihr eigner Wert
    Zeigt, wie sie ihn und seine Tugend schätzte:
    In ihrer Wahl könnt Ihr am besten lesen,
    Was für ein Mann er ist.
    Zweiter Edelmann
.
    Ich her’ ihn schon,
    In Eurer Schild’rung. Doch, ich bitt’ Euch, sagt mir,
    Ist sie des Königs einz’ges Kind?
    Erster Edelmann
.
    Sein einz’ges.
    Zwei Söhne hatt’ er (dünkt’s Euch merkenswert,
    So hört mir zu): der älteste drei Jahr,
    Der zweit’ in Windeln, wurden sie gestohlen
    Aus ihrer Ammenstub’, und niemand ahnet
    Bis diese Stunde, was aus ihnen ward.
    Zweiter Edelmann
.
    Wann fiel das vor?
    Erster Edelmann
.
    Vor etwa zwanzig Jahren.
    Zweiter Edelmann
.
    Daß Königskinder so entwendet wurden!
    So schlecht bewacht! So schläfrig aufgesucht,
    Daß keine Spur sich fand!
    Erster Edelmann
.
    Mag’s seltsam sein,
    Und fast zum Lachen solche Lässigkeit,
    So ist es dennoch wahr.
    Zweiter Edelmann
.
    Ich glaub’ es Euch.
    Erster Edelmann
.
    Wir müssen uns zurückziehn, denn hier kommt
    Der edle Herr, die Kön’gin und Prinzessin.
    Sie gehn ab.
    ¶

Zweite Szene
    Ebendaselbst.
    Es treten auf die Königin, Imogen und Posthumus.
    Königin
.
    Nein, Tochter, sei gewiß, nie find’st du mich,
    Nach der Stiefmütter allgemeinem Ruf,
    Scheeläugig gegen dich: zwar als Gefangne
    Bewahr’ ich dich; doch gibt dein Wächter selbst
    Den Kerkerschlüssel dir. Und, Posthumus,
    Sobald ich kann den grimmen König sänft’gen,
    Sollt Ihr in mir den Anwalt sehn; doch jetzt
    Entflammt ihn noch der Zorn: drum ist es besser,
    Ihr neigt Euch seinem Spruch, und so geduldig,
    Wie Euch die eigne Weisheit lehrt.
    Posthumus
.
    Ja, Hoheit,
    Ich reise heut.
    Königin
.
    Wohl kennt ihr die Gefahr –
    Nur durch den Garten geh’ ich, denn mich jammert
    Die Qual gehemmter Lieb’; obwohl der König
    Befahl, ihr sollt nicht mit einander sprechen.
    Sie geht ab.
    Imogen
.
    O heuchlerische Güte! Schmeichelnd kitzelt
    Die Schlange, wo sie sticht! – Geliebter Mann,
    Wohl fürcht’ ich etwas meines Vaters Zorn,
    Doch nicht (mein heilig Bündnis ausgenommen),
    Was seine Wut mir tun kann. Du mußt fort;
    Ich bleibe hier zurück, ein stündlich Ziel
    Erzürnten Blicks; nichts tröstet mich im Leben,
    Als daß die Welt mein Kleinod noch bewahrt,
    Damit ich’s wiederseh’.
    Posthumus
.
    O meine Kön’gin,
    Herrin, Geliebte, weint nicht mehr; daß mich
    Verdacht nicht treffe weichrer Zärtlichkeit,
    Als sie dem Manne ziemt! Ich bleib’ auf ewig
    Der treuste Gatte, der je Treu’ gelobte.
    In Rom nun wohn’ ich, bei Philario dort,
    Der meines Vaters Freund war, doch mit mir
    Durch Briefe nur verbunden: dorthin schreibe,
    Und mit den Augen trink’ ich deine Worte,
    Ist Galle gleich die Tinte.
    Die Königin kommt zurück.
    Königin
.
    Eilt, ich bitte!
    Denn wenn

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