Sämtliche Dramen
Lohn
Verspätet süßer nur. Traut meiner Macht;
Mein Arm hebt auf den tief gefallnen Sohn,
Sein Glück erblüht, die Prüfung ist vollbracht.
Mein Sternlicht schien, als er zur Welt geboren,
Mein Tempel sah den Eh’bund. – Auf und schwindet! –
Ihm ist nicht Fürstin Imogen verloren,
Und durch dies Leid wird mehr sein Glück begründet.
Dies Täflein legt auf seine Brust; aus Huld
Spricht hier sein Schicksal unser Wohlgefallen;
Und so hinweg, daß meine Ungeduld
Nicht aufwacht, hör’ ich solche Klagen schallen! –
Auf, Aar, zu meinen kristallin’nen Hallen!
Er steigt wieder hinauf.
Sicilius
.
Er kam im Donner; und sein Götterhauch
War Schwefeldampf; der heilige Adler stieg
Mit Dräun hernieder; doch sein Aufschwung ist
Süß wie Elysiums Flur: der Königsvogel
Spreizt seine ew’gen Schwingen, wetzt den Schnabel,
Als wär’ sein Gott vergnügt.
Alle
.
Dank, Jupiter!
Sicilius
.
Die Marmorwölbung schließt sich, er erreicht
Sein strahlend Götterhaus – Fort! Uns zum Heil
Vollbringt sein großes Machtgebot in Eil’!
Die Geister verschwinden.
Posthumus erwacht.
Posthumus
.
O Schlaf, du warst mein Ahnherr, und erzeugtest
Den Vater mir – auch meine Mutter schufst du,
Mein Brüderpaar: doch höhnend nur, verloren!
Schon abgeschieden, als sie kaum geboren,
So nun erwacht. – Armsel’ge, die sich stützen
Auf Gunst der Großen, träumen, wie ich träumte;
Erwachen, finden nichts. – Doch, leerer Dunst!
Mancher hat nicht Verdienst noch Traumesgunst,
Und wird bedeckt mit Lohn; so wird mir hie,
Ich finde goldnes Glück und weiß nicht wie.
Was hausen hier für Feen? Ein Buch? Oh, Kleinod!
Sei nicht wie unsre Stutzerwelt, ein Kleid
Edler, als der es trägt: laß deinen Inhalt
Auch golden sein, ganz ungleich jetz’gem Hofmann:
Halte, was du versprichst:
Er liest. »Wenn eines Löwen Junges, sich selbst unbekannt, ohne Suchen findet, und umarmt wird von einem Stück zarter Luft; und wenn von einer stattlichen Zeder Äste abgehauen sind, die, nachdem sie manches Jahr tot gelegen haben, sich wieder neu beleben, mit dem alten Stamm vereinen und frisch empor wachsen: dann wird Posthumus’ Leiden geendigt, Britannien beglückt und in Frieden und Fülle blühend.«
Noch immer Traum, wo nicht solch Zeug wie Tolle
Verstandlos plaudern: beides, oder nichts:
Entweder sinnlos Reden, oder solch Gerede,
Das Sinn nicht kann enträtseln. Sei’s, was immer,
Dem Irrsal meines Lebens ist es gleich,
Der Sympathie halb will ich es bewahren.
Die Kerkermeister kommen zurück.
Kerkermeister
. Kommt, Herr, seid Ihr für den Tod gar gemacht?
Posthumus
. Beinah’ schon zu hart gebraten: gar schon lange.
Kerkermeister
. Hängen ist die Losung; wenn Ihr dafür gar seid, so seid Ihr gut gekocht.
Posthumus
. Wenn mich also die Zuschauer wohlschmeckend finden, so zahlt das Gericht die Zeche.
Kerkermeister
. Eine schwere Rechnung für Euch, Herr; aber der Trost ist, Ihr werdet nun nicht mehr zu Zahlungen gefodert werden, keine Wirtshausrechnung mehr zu fürchten haben, die oft das Scheiden betrübt macht, wie sie erst die Lust erweckte. Ihr kommt schwach an, weil Ihr der Speise bedürft, und geht taumelnd fort, weil Ihr ein Glas zu viel getrunken habt: traurig, weil Ihr zu viel ausgegeben: traurig, weil Ihr zu viel eingenommen habt: Kopf und Beutel leer: der Kopf um so schwerer, weil er zu leicht ist, der Beutel um so leichter, weil ihm seine Schwere abgezapft ist. Oh! Aller dieser Widersprüche werdet Ihr nun los. – O über die Menschenliebe eines Pfennigstricks! Tausende macht er in einem Augenblicke richtig: es gibt kein besseres Debet und Kredit als ihn; er quittiert alles Vergangene, Jetzige und Zukünftige – Euer Hals ist Feder, Buch und Rechenpfennig; und so folgt der völlige Abschluß.
Posthumus
. Ich bin freudiger zu sterben, als du zu leben.
Kerkermeister
. Wahrhaftig, Herr, wer schläft, fühlt kein Zahnweh; aber einer, der Euren Schlaf schlafen sollte, wobei der Henker ihm ins Bett steigen hilft, ich denke, der tauschte gern seinen Platz mit seinem Aufwärter: denn seht, Ihr wißt noch nicht, welches Weges Ihr gehen werdet.
Posthumus
. O ja, Freund, ich weiß es wohl.
Kerkermeister
. Nun, dann hat Euer Tod Augen im Kopf; so Habe ich ihn noch nicht gemalt gesehen: Ihr müßt Euch entweder von denen führen lassen, die behaupten, den Weg zu kennen, oder Ihr müßt Euer eigner Führer sein, da ich doch weiß, Ihr kennt den Weg nicht: oder Euch auf eigne Gefahr über
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