Sämtliche Dramen
mag.
(Man sieht Palämon und Arcites oben am Fenster der Burg.)
Sieh, da sind sie; der sich umschaut ist Arcites.
Tochter
. Nein, Vater, das ist Palämon; der kleinere ist Arcites. Ihr könnt ihn nur halb sehen.
Kerkermeister
. Zeige doch nicht mit der Hand auf sie; sie wollen gewiß nicht gesehen sein. Kommt weg von hier!
Tochter
. Solch ein Anblick ist ein wahrer Genuß. Gott! Wie die Menschen doch verschieden sind. (Sie gehen ab.)
¶
Zweite Szene
(Ebendaselbst.)
Palämon und Arcites treten auf den Balkon heraus.
Palämon
.
Wie geht es, Vetter?
Arcites
.
Sag’, wie geht es dir?
Palämon
.
Noch bin ich stark genug, daß ich das Unglück
Verlachen und des Schicksals böse Laune
Ertragen kann. Wir sind Gefangne hier;
Für immer, fürcht’ ich!
Arcites
.
Ja, so scheint es, Vetter,
Auf solch ein Schicksal mach’ ich mich gefaßt!
Palämon
.
O, mein Arcites, wo ist Theben jetzt?
Wo unser edles Land, wo unsre Freunde
Und Anverwandte? Was so theuer uns,
Wir sehen nie es wieder! – niemals mehr
Die tapfern Jünglinge beim Waffenspiel,
Geschmückt mit den Devisen ihrer Schönen,
Beflaggten Schiffen unter Segeln gleich,
Und wir als frischer Ostwind unter ihnen,
Der träger zieh’nden Wolkenschar voraus,
Arcit-Palämon, den lautschall’nden Beifall
Der Menge überholend geilen Sprungs
Und schneller uns den Siegeskranz erobernd,
Als noch der Wunsch entstand, er schmücke uns.
Wir beide, – Zwillinge der Ehre, sollen
Nun nicht mehr unsre guten Waffen proben,
Nicht Rosse, stolzer als des Meeres Flut,
Mehr bändigen, und unsre guten Schwerter,
Wie bess’re der rothäug’ge Kriegesgott,
Getragen nie und die man uns geraubt,
Sie sollen in den Tempeln nun der Götter,
Die uns verfolgen, rosten; unsre Hand
Soll sie mit Blitzesleuchten nicht mehr zücken
Und ganze Heere schrecken!
Arcites
.
Ja, Palämon,
Die Hoffnung liegt jetzt hier mit uns gefangen.
Hier wird der Jugend Blüte uns verwelken,
Wie ein zu früh gekommner Lenz; hier uns
Das Alter finden (wehe!) unvermählt!
Des holden Weibes zärtliche Umarmung,
Ihr Kuß, der Gattenliebe Seligkeiten
Sind uns versagt, versagt das Vaterglück!
Wir werden unsre Knaben niemals lehren,
Wie junge Adler auf den Glanz der Waffen
Den Blick zu richten, niemals ihnen sagen:
»Denkt eurer Väter, kämpft und siegt wie sie!«
Schönäug’ge Jungfrau’n werden uns beweinen,
Dem blinden Glück in ihren Liedern fluchen,
Bis es erkennt, wie schwer es sich verging
An Jugend und Natur. – Hier unsre Welt!
Wir beid’ allein und niemand außer uns.
Nichts hören, als den Glockenschlag der Uhr,
Die uns die Stunden unsres Elends zählt.
Der Sommer kommt in aller seiner Pracht,
Doch um uns her bleibt’s todeskalter Winter!
Palämon
.
Ach! nur zu wahr, Arcit. In Thebens Wäldern
Wird unsrer Hunde Klaffen nicht das Echo
Mehr wecken, werden wir den scharfen Spieß
Nicht schleudern mehr, wird nicht der wilde Eber,
Von ihm getroffen, mit des Partherpfeils
Geschwindigkeit vor unsrem Wurfe fliehn.
Die tapfern Spiele, edler Geister Nahrung
Und täglich Brot, für uns sind sie dahin!
Und endlich sterben wir – was ja das Schlimmste
Des Ruhmes ist – vergessen und als Kinder
Des Elends!
Arcites
.
Ja, Palämon. Dennoch steigt
Selbst aus der Tiefe dieses herbsten Schicksals,
Das uns betreffen konnte, noch ein Trost
Und Segen! Mit der Götter Hülfe tragen
Wir’s in Geduld und tragen es vereint!
Solange du bei mir, scheint dieser Ort
Mir ein Gefängniß kaum!
Palämon
.
Ja, wahrlich, Vetter,
Ein großes Glück, daß uns dasselbe Los
Gemeinsam traf. Denn wenn zwei edle Seelen,
Im Leib getrennt, des Schicksals Wuth erleiden,
So wachsen sie zusammen, werden – können
Nicht untergehn. Ein stillgefaßter Mann,
Er stirbt im Schlaf und alles ist vorbei!
Arcites
.
Wir wollen würdig nützen diesen Ort,
Der jedermann verhaßt ist.
Palämon
.
Wie, mein Lieber?
Arcites
.
Laß dies Gefängniß wie ein Heiligthum
Uns ansehn, das uns vor Verführung schützt.
Wir sind noch jung und möchten gern die Wege
Der Ehre wandeln, nicht durch lose Reden,
Durch unbeschränkte Freiheit, die ein Gift
Für reine Seelen sind, wie Buhlerei,
Seitab gezogen werden. Diesen Segen
Verschafft uns sinnige Betrachtung hier.
Wie eine unerschöpflich reiche Mine
Sind wir einander, sind uns Gattinnen,
Sind Väter, Freunde, sind Familie uns, –
Mein Erbe du, der deine ich; hier wird
Kein Unterdrücker unsre Erbschaft uns
Zu nehmen
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