Sämtliche Dramen
Könige,
An seiner Mutter und an seiner Gattin;
Am meisten doch an sich. Ihm starb sein Weib,
Des Schönheit auch das reichste Aug’ geblendet,
Des Rede jeglich Ohr gefangen nahm,
Des hoher Wert auch überstolze Herzen
Zum Dienen zwang.
König
.
Das preisen, was dahin,
Macht im Erinnern Schmerz. – Nun ruft ihn her!
Wir sind versöhnt; der erste Anblick töte
Jeglich Erwähnen: Nicht um Gnade bitt’ er;
Der Geist erlosch, durch den er schwer gesündigt;
Und tiefer als Vergessen sei begraben
Des Brandes Zunder. Komm’ er denn zu uns
Als Fremder, als Beleid’ger nicht: erklärt ihm,
Was unser Wille sei!
Edelmann
.
Sogleich, mein König.
Ab.
König
.
Spracht Ihr mit ihm von Eurer Tochter, Herr?
Lafeu
.
Er fügt sich ganz in Eurer Hoheit Willen.
König
.
So gibt’s ’ne Hochzeit. Ich erhielt ein Schreiben,
Das rühmlich sein gedenkt.
Bertram tritt auf.
Lafeu
.
Er scheint vergnügt.
König
.
Ich bin kein Tag, unwandelbar verfinstert;
Denn Sonnenschein und Hagel stehn zugleich
Auf meiner Stirn; doch weicht den hellsten Strahlen
Die dunkle Wolke. Darum komm nur näher;
Der Himmel hellt sich auf.
Bertram
.
Die tiefbereute Schuld
Verzeiht, mein teurer Lehnsherr!
König
.
Alles gut!
Kein Wort nun mehr von der vergangnen Zeit!
Am Stirnhaar laß den Augenblick uns fassen,
Denn wir sind alt, und unsre schnellsten Schlüsse
Beschleicht der unhörbare, leise Fuß
Der Zeit, eh’ sie vollzogen sind. Gedenkt Ihr
Der Tochter dieses Herrn?
Bertram
.
Und mit Bewund’rung stets, mein Fürst. Zuerst
Fiel meine Wahl auf sie, eh’ noch mein Herz
Die Zung’ erkor als allzu dreisten Herold.
Dann, als ihr Bild geprägt in mein Gemüt,
Lieh mir sein höhnend Fernglas spröder Stolz,
Das jedes fremden Reizes Züg’ entstellte,
Der Wangen Rot verschmäht’, als sei’s erborgt,
Und alle Formen einzog oder dehnte
Zu widerwärt’ger Häßlichkeit: so kam’s,
Daß sie , die alle priesen, die ich selbst
Geliebt, seit sie mir starb, – in meinem Auge
Der Staub ward, der’s geblendet.
König
.
Gut entschuldigt!
Daß du sie liebst, tilgt große Summen weg
Von deiner Rechnung. Doch zu spätes Lieben
Klagt wie Begnad’gung, zögernd überbracht,
Den großen Richter an mit bitterm Vorwurf
Und ruft: »Gott ist, was tot.« Der hast’ge Irrtum
Verschmäht als niedrig unser bestes Gut
Und schätzt es nicht, bis es im Grabe ruht.
Verkennen oft, zu eignem Ungemach,
Zerstört den Freund, und weint dem Toten nach;
Beweint die wache Lieb’ ein teures Leben,
Wird roher Haß sich starrem Schlaf ergeben. –
Dies sei der süßen Helena Geläut’: –
Und nun vergeßt sie; sendet einen Ring
Als Brautgeschenk der schönen Magdalis;
Denn sie ist Eu’r. Wir wollen hier verweilen
Und unsers Witwers zweites Brautfest teilen.
Gräfin
.
Und beßres Glück, o Himmel, woll’st du geben:
Sonst, o Natur, nimm mich aus diesem Leben!
Lafeu
.
Komm her, mein Sohn, der meines Stamms Gedächtnis
Forterben soll, – gib mir ein Liebespfand,
Des Funkeln meiner Tochter Geist errege
Zu schneller Eil’. Bei meinem greisen Bart,
Und jedem Haar drin: unsere Helena
War hold und reizend; solchen Ring, wie den,
Als sie das letzte Mal erschien am Hof,
Trug sie an ihrem Finger.
Bertram
.
Diesen nicht!
König
.
Ich bitt’ Euch, laßt mich sehn: denn schon vorhin
Hat, als ich sprach, mein Aug’ auf ihm geruht.
Der Ring war mein; ich gab ihn Helena
Und schwur, wenn sie des Beistands je bedürfe,
Dies sei ein Pfand, daß ich ihr helfen wolle.
Wie nur vermocht’st du, des sie zu berauben,
Was ihr am teuersten?
Bertram
.
Mein gnäd’ger Herr,
Obgleich es Euch gefällt, es so zu nehmen,
Der Ring gehört’ ihr nie.
Gräfin
.
Sohn, ja! Beim Himmel,
Ich sah, wie sie ihn trug; sie hielt ihn wert,
Mehr als ihr Leben.
Lafeu
.
Ja, gewiß, sie trug ihn.
Bertram
.
Ihr irrt Euch, gnäd’ger Herr, sie sah ihn nie.
In Florenz ward er mir aus einem Fenster
Geworfen, in Papier gewickelt, das
Die Geberin mir nannte: sie war adlig
Und hielt mich noch für frei; doch da mein Schicksal
Gebunden war und ich ihr klar gezeigt,
Ich könnte nicht in Ehren ihr erwidern,
Was sie von mir gehofft, entließ sie mich,
Nach manchem Kampf beruhigt; doch den Ring
Zwang sie mich zu behalten.
König
.
Plutus selbst,
Erfahren in Tinktur und Alchemie,
Kennt der Natur Geheimnis nicht vertrauter,
Als ich den Ring: ich schenkt’ ihn Helena,
Gleichviel, wer ihn Euch gab. Drum, wenn Ihr
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