Sämtliche Dramen
quält,
Da ich so lang’ nach dieser Nahrung schmachte?
Oh! kenntest du die innre Kraft der Liebe,
Du möchtest eh’ mit Schnee ein Feuer zünden,
Als Liebesglut durch Worte löschen wollen.
Lucetta
.
Nicht will ich Eurer Liebe Feuer löschen,
Nur mäßigen des Feuers Ungestüm,
Daß es der Klugheit Schranke nicht zerstöre.
Julia
.
Je mehr du’s dämpfst, je heller flammt es auf;
Der Bach, der nur mit sanftem Murmeln schleicht,
Tobt ungeduldig, wird er eingehemmt;
Doch wird sein schöner Lauf nicht aufgehalten,
Spielt er ein süßes Lied mit Glanzgestein
Und streift mit zartem Kuß jedwede Binse,
Die er auf seinem Pilgerpfad berührt;
So wandert er durch manche Schlangenwindung
Mit leichtem Spiel zum wilden Ozean.
Drum laß mich gehn und stör’ nicht meinen Lauf;
Ich bin geduldig, wie ein sanfter Strom,
Und Kurzweil acht’ ich jeden müden Schritt,
Bis mich der letzte zum Geliebten bringt;
Dort will ich ruhn, gleichwie nach Angstbedrängnis
Ein sel’ger Geist wohnt in Elysium.
Lucetta
.
Allein in welcher Kleidung wollt Ihr gehn?
Julia
.
Nicht wie ein Mädchen; denn vermeiden möcht ich
Den lockern Angriff ausgelass’ner Männer.
Gute Lucetta, solch Gewand besorge,
Wie’s einem zücht’gen Edelknaben ziemt.
Lucetta
.
So müßt Ihr Euch der Locken ganz berauben.
Julia
.
Nein, Kind, ich flechte sie in seidne Schnüre
Mit seltsam, künstlich, treuen Liebesknoten;
Phantastisch so zu sein, ziemt selbst dem Jüngling,
Der älter ist, als ich erscheinen werde.
Lucetta
.
Nach welchem Schnitt wollt Ihr das Beinkleid tragen?
Julia
.
Das klingt ganz so, als – »sagt mir, gnäd’ger Herr,
Wie weit wollt Ihr wohl Euren Reifrock haben?«
Nun, nach dem Schnitt, der dir gefällt, Lucetta.
Lucetta
.
Notwendig müßt Ihr dann mit Latz sie tragen.
Julia
.
Pfui, pfui, Lucetta! das wird häßlich sein.
Lucetta
.
Die runde Hos’ ist keine Nadel wert.
Ein Latz muß sein, um Nadeln drauf zu stecken.
Julia
.
Lucetta, liebst du mich, so schaffe mir,
Was gut dir dünkt und sich am besten ziemt;
Doch, Mädchen, sprich: wie wird die Welt mich richten,
Wenn sie die unbedachte Reis’ erfährt?
Ich fürchte sehr, es schadet meinem Ruf.
Lucetta
.
Wenn Ihr das denkt, so bleibt und gehet nicht!
Julia
.
Das will ich nicht.
Lucetta
.
So lacht denn jeder Läst’rung und geht fort!
Lobt Proteus nur die Reise, wenn Ihr kommt,
So denkt nicht an den Tadler, seid Ihr fort;
Ich fürcht’, er wird sie schwerlich billigen.
Julia
.
Das ist, Lucetta, meine kleinste Sorge;
Viel tausend Schwür’, ein Ozean von Tränen
Und Treugelübd’ unzählbar, echter Liebe,
Verbürgen, daß ich ihm zur Freude komme.
Lucetta
.
All dies ist trügerischen Männern dienstbar.
Julia
.
Zu schlechtem Zweck, gebraucht von schlechten Männern!
Proteus’ Geburt regierten treu’re Sterne;
Sein Wort ist heil’ges Band, sein Schwur Orakel,
Treu seine Lieb’ und seine Seele rein;
Weint er, dies ist der Liebe treu’ Gebärde,
Der Lüge fern, wie Himmel von der Erde.
Lucetta
.
Mögt Ihr ihn so nur finden, wenn Ihr kommt!
Julia
.
Oh, liebst du mich, so kränk’ ihn nicht so bitter,
Daß seine Treue du in Zweifel ziehst;
Nur wer ihn liebt, kann meine Lieb’ erwerben.
So folge mir denn auf mein Zimmer gleich,
Zu überdenken, was mir nötig sei,
Mich auszurüsten zur ersehnten Reise.
Dir sei mein ganz Vermögen übergeben,
So Hausrat, Länderei’n, wie guter Ruf;
Dafür allein, hilf mir alsbald von hier!
Antworte nicht, geh mit mir flugs hinein;
Denn Ungeduld bringt jedes Zögern mir.
Sie gehn ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
Zimmer.
Herzog, Proteus und Thurio treten auf.
Herzog
.
Verlaßt uns, Signor Thurio, kurze Zeit;
Wir haben heimlich etwas zu besprechen. –
Thurio geht ab.
Jetzt, Proteus, sagt, was Ihr von mir begehrt!
Proteus
.
Mein gnäd’ger Herr, was ich Euch wollt’ entdecken,
Heißt das Gesetz der Freundschaft mich verhehlen;
Doch, wenn ich Eurer gnäd’gen Huld gedenke,
Die Ihr dem Unverdienten reich geschenkt,
So spornt mich meine Pflicht, Euch auszusprechen,
Was sonst kein Gut der Welt mir je entrisse.
Wißt, gnäd’ger Herzog: Valentin, mein Freund,
Will Eure Tochter diese Nacht entführen;
Mir ward der Anschlag von ihm selbst vertraut.
Ich weiß, Ihr seid entschlossen, Signor Thurio
Sie zu vermählen, den das Fräulein haßt;
Und wenn man sie auf diese Art entführte,
Es brächte Euerm Alter bittres Leid.
Drum wählt’ ich lieber,
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