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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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dumpfe Ohr der Nacht; und von den Zelten,
    Den Rittern helfend, geben Waffenschmiede,
    Die Rüstung nietend mit geschäft’gem Hammer,
    Der Vorbereitung grauenvollen Ton.
    Des Dorfes Hähne krähn, die Glocken schlagen
    Des schlafbetäubten Morgens dritte Stunde.
    Stolz auf die Zahl und sichern Muts verspielen
    Die muntern, selbstvertrauenden Franzosen
    Die nichtsgeacht’ten Englischen in Würfeln
    Und schmähn den krüppelhaften Gang der Nacht,
    Die, einer schnöden, garst’gen Hexe gleich,
    Hinweg so zögernd hinkt. Die armen Englischen,
    Wie Opfer sitzen sie bei wachen Feuern
    Geduldig und erwägen innerlich
    Die morgende Gefahr; die trübe Miene
    Auf hohlen Wangen und, vom Krieg vernutzt,
    Die Röcke stellen sie dem schau ’nden Mond
    Wie grause Geister dar. Oh, wer nun sehen mag
    Den hohen Feldherrn der verlornen Schar
    Von Wacht zu Wacht, von Zelt zu Zelte wandeln,
    Der rufe: »Preis und Ruhm sei seinem Haupt!«
    Denn er geht aus, besucht sein ganzes Heer,
    Beut mit bescheidnem Lächeln guten Morgen
    Und nennt sie Brüder, Freunde, Landesleute.
    Auf seinem königlichen Antlitz ist
    Kein Merkmal, welch ein furchtbar Heer ihn drängt,
    Noch widmet er ein Tüttelchen von Farbe
    Der schläfrigen und ganz durchwachten Nacht;
    Nein, er sieht frisch und übermannt die Schwäche
    Mit frohem Schein und holder Majestät,
    Daß jeder Arme, bleich gehärmt zuvor,
    Ihn sehend, Trost aus seinen Blicken schöpft:
    Und allgemeine Gaben, wie die Sonne,
    Erteilet jedem sein freigebig Auge,
    Auftauend kalte Furcht. Drum, Hoh’ und Niedre,
    Seht, wie Unwürdigkeit ihn zeichnen mag,
    Den leichten Abriß Heinrichs in der Nacht.
    So muß zum Treffen unsre Szene fliegen,
    Wo wir (o Schmach!) gar sehr entstellen werden
    Mit vier bis fünf zerfetzten schnöden Klingen,
    Zu lächerlichem Balgen schlecht geordnet,
    Den Namen Agincourt. Doch sitzt und seht,
    Das Wahre denkend, wo sein Scheinbild steht.
    Ab.
    ¶

Erste Szene
    Das englische Lager zu Agincourt.
    König Heinrich, Bedford und Gloster.
    König Heinrich
.
    Wahr ist es, Gloster, die Gefahr ist groß,
    Um desto größer sei denn unser Mut. –
    Guten Morgen, Bruder Bedford. – Großer Gott!
    Es ist ein Geist des Guten in dem Übel,
    Zög’ ihn der Mensch nur achtsam da heraus.
    Früh aufstehn lehren uns die schlimmen Nachbarn,
    Was teils gesund und gute Wirtschaft ist;
    Dann sind sie unser äußerlich Gewissen
    Und Prediger uns allen, die uns warnen,
    Daß wir zu unserm End’ uns wohl bereiten.
    So können wir vom Unkraut Honig lesen
    Und machen selbst den Teufel zur Moral.
    Erpingham tritt auf.
    Guten Morgen, guter Thomas Erpingham!
    Ein sanftes Kissen für das weiße Haupt
    Wär’ besser als der harte Rasen Frankreichs.
    Erpingham
.
    Nicht so, mein Fürst; dies Lager dünkt mir besser:
    Ich liege wie ein König, sag’ ich nun.
    König Heinrich
.
    ’s ist gut, daß Beispiel gegenwärt’ge Plagen
    Uns lieben lehrt; so wird der Geist erleichtert:
    Und lebt erst das Gemüt auf, so erstehn
    Auch die zuvor erstorbenen Organe
    Aus dumpfem Grab und regen sich aufs neu’
    Mit abgestreifter Hüll’ und frischem Schwung.
    Sir Thomas, leih’ mir deinen Mantel. – Brüder,
    Empfehlt den Prinzen unsers Lagers mich;
    Bringt meinen guten Morgen, und sogleich
    Bescheidet alle hin zu meinem Zelt.
    Gloster
.
    Das wollen wir, mein Fürst.
    Gloster und Bedford ab.
    Erpingham
.
    Begleit’ ich Eure Hoheit?
    König Heinrich
.
    Nein, mein wackrer Ritter,
    Mit meinen Brüdern geh zu Englands Herrn.
    Ich und mein Busen müssen uns beraten,
    Da wünsch’ ich andere Gesellschaft nicht.
    Erpingham
.
    Dich segne Gott im Himmel, edler Heinrich!
    Erpingham ab.
    König Heinrich
.
    Gott dank’ dir’s, edles Herz! Du sprichst erfreulich.
    Pistol tritt auf.
    Pistol
.
    Qui va là?
    König Heinrich
.
    Gut Freund.
    Pistol
.
    Erläutre mir: bist du ein Offizier?
    Wie? Oder schlecht, gering und aus dem Volk?
    König Heinrich
.
    Ich bin der Führer einer Kompagnie.
    Pistol
.
    Schleppst du den mächt’gen Speer?
    König Heinrich
.
    Ja wohl: was seid Ihr?
    Pistol
.
    Ein Edelmann, so gut als wie der Kaiser.
    König Heinrich
.
    So seid Ihr ja vornehmer als der König.
    Pistol
.
    Der König ist ein Goldherz und ein Schatz,
    Ein Wonnejung’ und Ruhmessproß.
    Von guten Eltern und höchst tapfrer Faust.
    Ich küsse seinen schmutz’gen Schuh und liebe
    Den lieben Eisenfresser ganz und gar
    Von meines Herzens Grund. Wie ist dein Name?
    König Heinrich
.
    Heinrich le Roi.
    Pistol
.
    Le Roi? Ein Corn’scher

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