Sämtliche Dramen
diesem Stand sollt Ihr gehalten werden.
Herzogin
.
Sheriff, leb wohl, und besser, als ich lebe,
Wiewohl du Führer meiner Schande warst.
Sheriff
.
Es ist mein Amt, verzeiht mir, gnäd’ge Frau.
Herzogin
.
Ja, ja, leb wohl! Dein Amt ist nun versehn.
Komm, Stanley, soll’n wir gehn?
Stanley
.
Werft ab dies Hemde, nach getaner Buße,
Und gehn wir, um zur Reis’ Euch anzukleiden.
Herzogin
.
Die Schande wechsl’ ich mit dem Hemde nicht,
Nein, sie wird an den reichsten Kleidern hängen,
Sich zeigen, wie ich auch mich schmücken mag.
Geh, führe! Mich verlangt in mein Gefängnis.
Ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
Die Abtei zu Bury.
König Heinrich, Königin Margareta, Kardinal Beaufort, Suffolk, York, Buckingham und andre zum Parlament.
König Heinrich
.
Mich wundert, daß Mylord von Gloster fehlt:
Er pflegt sonst nicht der letzte Mann zu sein,
Was für ein Anlaß auch ihn jetzt entfernt.
Königin
.
Könnt Ihr nicht sehn und wollt Ihr nicht bemerken,
Wie fremd sich sein Gesicht verwandelt hat?
Mit welcher Majestät er sich beträgt?
Wie übermütig er seit kurzem ward,
Wie stolz, wie herrisch und sich selbst nicht gleich?
Ich weiß die Zeit, da er noch mild und freundlich war,
Und warfen wir nur einen Blick von fern,
Gleich war er auf den Knieen, daß der Hof
Voll von Bewund’rung war für seine Demut.
Doch trefft ihn jetzt, und sei es morgens früh,
Wann jedermann die Tageszeit doch bietet,
Er zieht die Brau’n und zeigt ein zornig Auge
Und geht mit ungebognem Knie vorbei,
Die Schuldigkeit, die uns gebührt, verschmähend.
Man achtet kleiner Hunde Murren nicht,
Doch Große zittern, wenn der Löwe brüllt,
Und Humphrey ist kein kleiner Mann in England.
Erst merkt, daß er Euch nah ist von Geburt
Und, wenn Ihr fallt, der nächste wär’ zum Steigen.
Drum, deucht mir, ist es keine Politik,
Erwogen, welchen Groll er trägt im Herzen,
Und daß sein Vorteil Eurem Hintritt folgt,
Daß er zu Eurer fürstlichen Person
Und Euer Hoheit Rat den Zutritt habe.
Des Volkes Herz gewann ihm Schmeichelei,
Und wenn’s ihm einfällt, Aufstand zu erregen,
So ist zu fürchten, alles folgt ihm nach.
Jetzt ist es Frühling, und das Unkraut wurzelt
Nur flach noch; duldet’s jetzt, so wuchert es
Im ganzen Garten und erstickt die Kräuter
Aus Mangel einer fleiß’gen Landwirtschaft.
Die ehrerbiet’ge Sorg’ um meinen Herrn
Ließ mich im Herzog die Gefahren lesen.
Wenn’s töricht ist, nennt’s eine Weiberfurcht,
Und können beßre Gründe sie verdrängen,
Gesteh’ ich gern, ich tat zu nah dem Herzog.
Mylord von Suffolk, Buckingham und York,
Stoßt um das Angeführte, wenn ihr könnt;
Wo nicht, laßt meine Worte gültig sein.
Suffolk
.
Wohl schaut Eu’r Hoheit diesen Herzog durch,
Und hätt’ ich erst die Meinung äußern sollen,
Ich hätt’ in Euer Gnaden Sinn gestimmt.
Die Herzogin begann auf seinen Antrieb,
So wahr ich lebe, ihre Teufelskünste;
Und war er nicht Mitwisser dieser Schuld,
Doch hat Erwägung seiner hohen Abkunft,
Da nach dem König er zum Thron der Nächste,
[Und derlei Prahlen mit des Blutes Adel]
Die hirnverbrannte Herzogin gereizt,
Böslich nach unsers Fürsten Fall zu trachten.
Wo tief der Bach ist, läuft das Wasser glatt,
Und sein so schlichter Schein herbergt Verrat;
Der Fuchs bellt nicht, wann er das Lamm will stehlen.
Nein, nein, mein König! Gloster ist ein Mann,
Noch unergründet und voll tiefen Trugs.
Kardinal
.
Erfand er, dem Gesetz zuwider, nicht
Für kleine Fehler fremde Todesarten?
York
.
Und hob er nicht in der Protektorschaft
Im Reiche große Summen Gelds für Sold
Des Heers in Frankreich, den er niemals sandte,
Weshalb die Städte täglich sich empörten?
Buckingham
.
Pah! Dies sind kleine Fehler, neben jenen
Verborgnen, welche bald die Zeit ans Licht
Am gleisnerischen Herzog Humphrey bringt.
König Heinrich
.
Mylords, mit eins: die Sorge, die ihr tragt
Die Dornen wegzumähn vor unsern Füßen,
Heischt Lob; doch soll ich nach Gewissen reden?
So rein ist Oheim Gloster, auf Verrat
An unsrer fürstlichen Person zu sinnen,
Als eine sanfte Taub’, ein säugend Lamm;
Der Herzog ist zu tugendsam und mild,
Er träumt kein Arg und sucht nicht mein Verderben.
Königin
.
Ah, wie gefährlich ist dies blinde Zutrau’n!
Er eine Taub’? Entlehnt ist sein Gefieder,
Denn wie der arge Rab’ ist er gesinnt.
Ist er ein Lamm? Sein Fell muß ihm gelieh’n sein,
Denn räuberischen Wölfen gleicht sein
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