Sämtliche Dramen
Reinheit?
Dreimal bewehrt ist der gerechte Streiter,
Und nackt ist der, obschon in Stahl verschlossen,
Dem Unrecht das Gewissen angesteckt.
Man hört draußen Lärm.
Königin
.
Was für ein Lärm?
Suffolk und Warwick kommen mit gezogenen Degen zurück.
König Heinrich
.
Nun, Lords? Entblößt hier die ergrimmten Waffen
In unserm Beisein? Dürft ihr’s euch vermessen?
Was gibt es hier für Schreien und Tumult?
Suffolk
.
Der falsche Warwick und das Volk von Bury
Stürmt alles auf mich ein, erhabner Fürst.
Draußen Lärm von einem großen Gedränge.
Salisbury kommt zurück.
Salisbury
.
Halt! Eu’r Begehren soll der König wissen. –
Euch meldet, hoher Herr, das Volk durch mich,
Wird nicht der falsche Suffolk gleich gerichtet
Oder verbannt aus Englands schönem Reich,
So wollen sie aus Eurem Schloß ihn reißen
Und peinlich langsam ihn zu Tode foltern.
Sie sagen, daß der gute Herzog Humphrey
Durch ihn gestorben sei; sie sagen ferner
Sie fürchten Euer Hoheit Tod von ihm,
Und bloßer Trieb der Lieb’ und treuen Eifers,
Von frecher, widerspenst’ger Absicht frei,
Als wollten Eurem Wunsch sie widersprechen,
Geb’ ihnen ein die Fod’rung seines Banns.
Sie sagen, für Eu’r hohes Wohl besorgt:
Wenn Eure Hoheit nun zu schlafen dächte
Und anbeföhle, niemand sollt’ Euch stören
Bei Eurer Ungnad’ oder Todesstrafe;
Doch, ungeachtet solches Strafgebots,
Würd’ eine Schlange mit gespaltner Zunge
Hinschleichend zu Eu’r Majestät gesehn,
So wär’ es unumgänglich, Euch zu wecken,
Auf daß nicht Euren Schlummer voller Harm
Das tödliche Gewürm zum ew’gen machte.
Und darum schrein sie, daß sie trotz Verboten
Euch hüten wollen, willig oder nicht,
Vor solchen Schlangen wie der falsche Suffolk,
Durch des verderblichen und gift’gen Stich
Eu’r lieber Oheim, zwanzigmal ihn wert,
Des Lebens schändlich, sagen sie, beraubt sei.
Volk
draußen.
Bescheid vom Könige, Mylord von Salisbury!
Suffolk
.
Sehr glaublich, daß das Volk, ein roher Haufe,
Dem Fürsten solche Botschaft senden konnte!
Doch Ihr, Mylord, nahmt gern den Auftrag an,
Um Eure feine Redekunst zu zeigen.
Doch aller Ruhm, den Salisbury erworben,
Ist, daß er Abgesandter einer Rotte
Von Kesselflickern an den König war.
Volk
draußen.
Bescheid vom Könige, wir brechen sonst hinein!
König Heinrich
.
Geh, Salisbury, und sag von meinetwegen
Für ihr so liebend Sorgen allen Dank;
Und wär’ ich nicht von ihnen aufgefodert,
So hab’ ich’s doch beschlossen, wie sie bitten.
Denn, wahrlich, stündlich prophezeit mein Sinn
Von Suffolks wegen Unheil meinem Thron.
Und drum – ich schwör’s bei dessen Majestät,
Des ich unwürd’ger Stellvertreter bin, –
Sein Atem soll nicht diese Luft verpesten
Mehr als drei Tage noch, bei Todesstrafe!
Salisbury ab.
Königin
.
O laß mich für den holden Suffolk reden!
König Heinrich
.
Unholde Königin, ihn hold zu nennen!
Nicht weiter, sag’ ich; wenn du für ihn redest,
Wirst du nur höher steigern meinen Zorn.
Ich hielte Wort, und hätt’ ich’s nur gesagt,
Doch wenn ich schwöre, ist’s unwiderruflich.
Wenn nach drei Tagen Zeit man hier dich findet
Auf irgend einem Boden, wo ich herrsche,
So kauft die Welt dein Leben nicht mehr los. –
Komm, Warwick! Lieber Warwick, geh mit mir!
Denn Großes hab’ ich mitzuteilen dir.
König Heinrich, Warwick, Lords u.s.w. ab.
Königin
.
Unheil und Kummer folg’ Euch auf dem Fuß!
Und Herzeleid und bitterste Bedrängnis
Sei’n die Gespielen, die sich Euch gesellen!
Sind Euer zwei, der Teufel sei der dritte!
Dreifache Rache laur’ auf Eure Wege!
Suffolk
.
Halt inne, holde Königin, mit Flüchen:
Laß deinen Suffolk traurig Abschied nehmen.
Königin
.
Pfui, feiges Weib! weichherziges Geschöpf!
Hast du nicht Mut, zu fluchen deinen Feinden?
Suffolk
.
Weh ihnen! Warum sollt’ ich sie verfluchen?
Wär’ Fluchen tödlich wie Alraunen-Ächzen,
So wollt’ ich bittre, scharfe Wort’ erfinden,
So rauh, verrucht und greulich anzuhören,
Durch die geknirschten Zähn’ herausgetobt,
Mit so viel Zeichen eingefleischten Hasses,
Als wie der hagre Neid in ekler Höhle.
Die Zunge sollt’ in heft’ger Rede straucheln,
Die Augen wie geschlagne Kiesel sprühn,
Mein Haar wie einem Rasenden sich sträuben,
Ja, alle Glieder mitzufluchen scheinen;
Und eben jetzt bräch’ mein belastet Herz,
Wenn ich nicht fluchte. Gift sei ihr Getränk!
Gall’, und was bittrer noch, ihr
Weitere Kostenlose Bücher