Sämtliche Dramen
Seel’ in Lüften noch
Und hält sie nicht ein Spruch auf ewig fest,
So schwebet um mich mit den luft’gen Flügeln
Und hört die Wehklag’ eurer Mutter an!
Margareta
.
Schwebt um sie, sagt, daß Recht um Recht gehandelt,
Der Kindheit Früh’ in alte Nacht euch wandelt.
Herzogin
.
So manches Elend brach die Stimme mir,
Die jammermüde Zung’ ist still und stumm.
Eduard Plantagenet, so bist du tot?
Margareta
.
Plantagenet vergilt Plantagenet;
Eduard um Eduard zahlt sein Totenbett.
Elisabeth
.
Entziehst du dich, o Gott, so holden Lämmern
Und schleuderst in den Rachen sie dem Wolf?
Wann schliefst du sonst bei solchen Taten schon?
Margareta
.
Als Heinrich starb, der Heil’ge, und mein Sohn
Herzogin
.
Erstorbnes Leben! Blindes Augenlicht!
Du armes irdisch-lebendes Gespenst!
Des Wehes Schauplatz, Schande dieser Welt!
Des Grabs Gebühr, vom Leben vorenthalten,
Auszug und Denkschrift lästig langer Tage!
Laß deine Unruh’ ruhn auf Engellands
Rechtmäß’ger Erde, die so unrechtmäßig
Berauschet worden von unschuld’gem Blut!
Setzt sich nieder.
Elisabeth
.
Ach, wolltest du das Grab so bald gewähren,
Als einen schwermutsvollen Sitz du beutst:
Dann bürg’ ich mein Gebein hier, ruht’ es nicht.
Ach, wer hat Grund zu trauren, außer uns?
Setzt sich zu ihr.
Margareta
.
Wenn alter Gram um so ehrwürd’ger ist,
Gesteht der Jahre Vorrang meinem zu,
Und wölke sich mein Kummer obenan.
Setzt sich neben sie.
Und wenn der Gram Gesellschaft dulden mag,
Zählt Eure Leiden nach, auf meine schauend:
Mein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Mein war ein Gatte, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;
Dein war ein Richard, doch ein Richard schlug ihn.
Herzogin
.
Mein war ein Richard auch, und du erschlugst ihn;
Mein war ein Rutland auch, du halfst ihn schlagen.
Margareta
.
Dein war ein Clarence auch, und Richard schlug ihn.
Aus deines Schoßes Höhle kroch hervor
Ein Höllenhund, der all’ uns hetzt zu Tod.
Den Hund, der eh’ als Augen Zähne hatte,
Gebißner Lämmer frommes Blut zu lecken;
Der Gotteswerke schändlichen Verderber,
Den trefflich großen Wüterich der Erde,
In wunden Augen armer Seelen herrschend,
Ließ los dein Schoß, um uns ins Grab zu jagen.
O redlich ordnender, gerechter Gott!
Wie dank’ ich dir, daß dieser Metzgerhund
In seiner Mutter Leibesfrüchten schwelgt
Und macht sie zur Gesellin fremder Klagen!
Herzogin
.
O juble, Heinrichs Weib, nicht um mein Weh!
Gott zeuge mir, daß ich um deins geweint.
Margareta
.
Ertrage mich: ich bin nach Rache hungrig
Und sätt’ge nun an ihrem Anblick mich.
Tot ist dein Eduard, Mörder meines Eduards;
Dein andrer Eduard tot für meinen Eduard;
Der junge York war Zutat: beid’ erreichten
Nicht meines Eingebüßten hohen Preis.
Tod ist dein Clarence, Meuchler meines Eduards;
Und die Zuschauer dieses Trauerspiels,
Der falsche Hastings, Rivers, Vaughan, Grey,
Sind vor der Zeit versenkt ins dumpfe Grab.
Richard nur lebt, der Hölle schwarzer Spürer,
Als Mäkler aufbewahrt, der Seelen kauft
Und hin sie sendet: aber bald, ja bald
Erfolgt sein kläglich, unbeklagtes Ende.
Die Erde gähnt, die Hölle brennt,
Die Teufel brüllen, Heil’ge beten,
Auf daß er schleunig werde weggerafft.
Vernichte, lieber Gott, ich fleh’ dich an,
Den Pfandschein seines Lebens, daß ich noch
Dies Wort erleben mag: der Hund ist tot!
Elisabeth
.
Oh, du hast prophezeit, es käm’ die Zeit,
Wo ich herbei dich wünscht’, um mitzufluchen
Der bauch’gen Spinne, dem geschwollnen Molch.
Margareta
.
Da nannt’ ich dich ein Scheinbild meines Glücks,
Da nannt’ ich dich gemalte Königin;
Die Vorstellung nur dessen, was ich war;
Ein schmeichelnd Inhaltsblatt zu grausem Schauspiel;
So hoch erhoben, tief gestürzt zu werden;
Zwei holder Knaben bloß geäffte Mutter;
Ein Traum des, was du warst; ein bunt Panier,
Zum Ziel gestellt für jeden droh’nden Schuß;
Ein Schild der Würde, eine Blas’, ein Hauch,
Kön’gin zum Spaß, die Bühne nur zu füllen.
Wo ist dein Gatte nun? Wo deine Brüder?
Wo deine beiden Söhne? Was noch freut dich?
Wer kniet und sagt nun: Heil der Königin?
Wo sind die Pairs, die schmeichelnd sich dir bückten?
Wo die gedrängten Haufen, die dir folgten?
Geh all dies durch, und sieh: was bist du jetzt?
Statt glücklich Eh’weib, höchst bedrängte Witwe;
Statt frohe Mutter, jammernd bei dem Namen;
Statt angefleht, demütig
Weitere Kostenlose Bücher