Sämtliche Dramen
nicht eher als der König; dies, gnädiger Herr, stopft uns den Mund.«
Das will er freilich, fürcht’ ich. Nun, nehm’ er sie,
Ich denk’, er nimmt noch alles.
Die Herzoge von Norfolk und Suffolk treten auf.
Norfolk
.
Mich freut’s, Euch hier zu treffen, Mylord Kämm’rer.
Lord Kämmerer
.
Gott grüß’ Eu’r Gnaden beide!
Suffolk
.
Sagt, was macht
Der König?
Lord Kämmerer
.
Ich verließ ihn einsam, voll
Bekümmernis und Gram.
Norfolk
.
Was war die Ursach’?
Lord Kämmerer
.
Es scheint, die Eh’ mit seines Bruders Weib
Kam dem Gewissen allzu nah.
Suffolk
.
Nein, sein Gewissen
Kam einer andern Frau zu nah.
Norfolk
.
So ist’s.
Das macht der Priester, dieser König-Priester!
Der blinde Pfaff’, Fortunas Erstgeborner,
Dreht alles um. Einst wird der Herr ihn kennen.
Suffolk
.
Gott geb’, er tät’s! Er kennt sich selbst nicht eh’.
Norfolk
.
Seht nur, wie heilig all sein Tun und Dichten!
Wie salbungsvoll! Denn seit er brach das Bündnis
Mit Kaiser Karl, der Kön’gin großem Neffen,
Taucht’ er ins Herz des Königs, streuet dort
Gefahr und Zweifel und Gewissensangst,
Vorwurf und Furcht, bloß dieser Ehe wegen.
Und nun, mit eins den König zu erwecken,
Rät er zur Scheidung, rät, sie zu verstoßen,
Die zwanzig Jahr an seinem Halse hing,
Wie ein Juwel, doch nie den Glanz getrübt;
Sie, die mit jener Zärtlichkeit ihn liebt,
Mit der die Engel gute Menschen lieben;
Ja, sie, die bei des Glückes härt’sten Streichen.
Den König segnen wird! Ist das nicht fromm?
Lord Kämmerer
.
Behut’ uns Gott vor solchem Rat! Wahr ist’s,
Schon ward’s bekannt, schon wohnt’s auf allen Zungen,
Und alle Treuen weinen drum; nicht einem ,
Der näh’re Einsicht hat, entgeht der Hauptzweck,
Die Eh’ mit Frankreichs Schwester. Bald erschließe
Gott noch des Königs Augen, eingeschläfert
Von diesem frechen Mann!
Suffolk
.
Und mach’ uns frei
Von seiner Knechtschaft!
Norfolk
.
Beten möchte man,
Und zwar von ganzem Herzen, um Erlösung.
Sonst knetet der Hochfahrende uns alle
Aus Fürsten noch zu Pagen. Stand und Rang
Liegt wie ein Teig vor ihm, den er allein
Nach Wohlgefallen modelt.
Suffolk
.
Ich, Mylords,
Ich lieb’ und fürcht’ ihn nicht, das ist mein Credo.
Wie ich ohn’ ihn entstand, so will ich bleiben
Mit Königs Hülfe; Wolseys Fluch und Segen
Trifft mich gleichviel: ’s ist Luft, die nicht verwundet.
Ich kannt’ und kenn’ ihn noch, und lass’ ihn dem,
Der ihn so stolz gemacht, dem Papst.
Norfolk
.
Kommt, gehn wir,
Versuchen wir’s, ob nicht ein neu Beginnen
Den König diesem trüben Tun entreißt. –
Mylord, Ihr folgt uns doch?
Lord Kämmerer
.
Entschuldigt mich;
Der König schickt mich sonst wohin. Zudem
Fürcht’ ich, ihr trefft höchst ungelegne Zeit;
So geh’s euch wohl! –
Norfolk
.
Dank, werter Mylord Kämm’rer!
Lord Kammern ab.
Der Herzog von Norfolk öffnet eine Flügeltür; man sieht den König sitzend und nachdenklich lesend.
Suffolk
.
Wie ernst! Gewiß, er ist sehr aufgeregt!
König
.
Wer ist hier? He?
Norfolk
.
Gott wende seinen Zorn!
König
.
Wer ist hier? frag’ ich. Wie vermeßt ihr euch,
In Stunden ernster Sammlung euch zu drängen?
Wer bin ich? Wie?
Norfolk
.
Ein güt’ger Fürst, der gern Verseh’n entschuldigt,
Die nimmer arg gemeint. Der Fehl von eben
Betraf ein Staatsgeschäft, um das wir kamen,
Den Willen unsers Königs zu vernehmen.
König
.
Ihr seid kühn.
Ei was! Ich lehr’ euch, wann es Zeit ist zu Geschäften!
Ist jetzt für Weltliches die Stunde? Wie?
Wolsey und Campejus treten auf.
Wer kommt? Mylord von York? O du mein Wolsey,
Du Balsam meiner schmerzgequälten Seele,
Du reichst dem König Heilung. – Seid willkommen
zu Campejus
In unserm Reich, gelehrter, edler Herr,
Verfügt mit ihm und uns; und Ihr sorgt bestens,
zu Wolsey
Daß dies kein leeres Wort sei!
Wolsey
.
Mein Gebieter,
Ich bitt’ Eu’r Hoheit nur um eine Stunde
Geheimen Vortrags.
König
zu Norfolk und Suffolk.
Fort! wir sind beschäftigt.
Norfolk
beiseit.
Der Priester wär’ nicht stolz?
Suffolk
beiseit.
Ganz unermeßlich.
Ich möchte nicht so krank sein, nicht einmal
Für seinen Platz. Doch dies kann so nicht bleiben.
Norfolk
.
Geschieht’s, so wag’ ich, ihm eins beizubringen.
Suffolk
.
Auch ich.
Norfolk und Suffolk ab.
Wolsey
.
Eu’r Hoheit gab ein Beispiel Ihrer Weisheit
Vor allen Fürsten, als Ihr frei dem Spruch
Der Kirch’ anheim gestellt habt Eure
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