Sämtliche Dramen
Skrupel.
Wer darf nun zürnen? Welcher Haß Euch treffen?
Spanien, durch Blut und Freundschaft ihr verbündet,
Muß jetzt, wofern es irgend gut gesinnt,
Die Untersuchung recht und edel finden.
In allen Christenreichen hat der Klerus,
Der einsichtsvolle, freie Beistimmung,
Und Rom, die Mutter aller Weisheit, sandte
Auf Euer Gnaden Wunsch als bündigsten
Erklärer diesen würd’gen Priester her,
Den vielerfahrnen Kardinal Campejus,
Den ich nochmals vorstelle meinem Fürsten.
König
.
Und nochmals sagt ihm Willkomm die Umarmung,
Dem heiligen Konklav’ die Liebe dankend;
Es traf die Wahl nach meines Herzens Wunsch.
Campejus
.
Mit Recht ist aller Fremden Herz entzückt
Von Euch, mein Fürst, der sich so edel zeigt.
In Eure Hand leg’ ich die Vollmacht nieder,
Die auf Befehl des röm’schen Hofs mit Euch,
Lord Kardinal, mich, seinen Knecht, vereinigt
Als unpartei’sche Richter dieses Falls.
König
.
Gleich würdig beide. Wir werden ungesäumt
Die Königin unterrichten. – Wo ist Gardiner?
Wolsey
.
Eur’ Majestät, ich weiß es, hat sie stets
Zu sehr geliebt, um das ihr nicht zu gönnen,
Was ein gering’res Weib mit Recht auch fodert:
Gelehrte, die frei für sie sprechen dürfen.
König
.
Ja, und die besten soll sie haben; meine Gunst,
Wer es am besten tut. Ei, da sei Gott für!
Ruft, bitt’ ich, Gardiner, meinen neuen Schreiber,
Den Menschen find’ ich recht geschickt.
Der Kardinal geht hinaus und kommt zurück mit Gardiner.
Wolsey
.
Gebt mir die Hand; ich wünsch’ Euch Gunst und Freude,
Ihr seid des Königs jetzt.
Gardiner
beiseite zum Kardinal.
Doch stets im Dienst
Des teuern Gönners, dessen Hand mich hob.
König
.
Kommt hierher, Gardiner.
Geht beiseite und redet leise mit Gardiner.
Campejus
.
War nicht, Lord York, vorher ein Doktor Pace
In dieses Mannes Stelle?
Wolsey
.
Ja, das war er.
Campejus
.
Und galt er nicht für hochgelahrt?
Wolsey
.
Gewiß.
Campejus
.
Glaubt mir, dann ist ein schlimm Gerücht, Mylord,
Sogar von Euch verbreitet.
Wolsey
.
Wie! Von mir?
Campejus
.
Man steht nicht an, des Neides Euch zu zeihn:
Aus Furcht, daß seine Tugend hoch ihn höbe,
Hieltet Ihr ihn entfernt: das kränkt’ ihn so,
Daß er im Wahnsinn starb.
Wolsey
.
Des Himmels Fried’ ihm!
So viel als Christ: lebend’ge Lästerer
Kann man noch strafen. Dieser war ein Narr,
Ein Tugendheld durchaus: der gute Mensch da,
Wo ich gebiete, folgt er meinem Wink.
Kein andrer muß so nah stehn. Lernt das, Bruder,
Nie darf ein kleinrer Mann uns irgend hemmen.
König
.
Bringt dies der Königin mit aller Ehrfurcht. –
Gardiner ab.
Der bestbelegne Ort, so wie mir scheint,
Für jene Untersuchung ist Blackfriars;
Dort trefft euch wegen dieser wicht’gen Sache;
Mein Wolsey, ordnet alles. Oh, Mylord,
Muß nicht ein wackrer Mann mit Gram verlassen
Solch freundlich Eh’weib? Doch, Gewissen! Gewissen! –
Du bist zu zart, und ich muß sie verlassen.
Alle ab.
¶
Dritte Szene
Vorzimmer der Königin.
Anna Bullen und eine alte Hofdame treten auf.
Anna
.
Auch deshalb nicht: – hier ist der Dorn, der sticht:
Der Herr, der so lang’ mit ihr lebte; sie
So gut, daß keine Zunge jemals konnte
Was Schlechtes von ihr sagen, – o nein, wahrlich,
Sie wußte nicht, was Kränken heißt; und nun
So manchen Sonnenumlauf Königin,
In Pomp und Majestät anwachsend, die
Zu lassen tausendmal noch bittrer ist,
Als süß, sie zu erlangen, – nun, nach allem,
So Schmach ihr bieten! Oh, ’s ist zum Erbarmen
Und rührt wohl Ungeheu’r.
Hofdame
.
Die härtsten Seelen
Zerschmelzen in Wehklage.
Anna
.
Himmel! besser,
Sie kannte nie den Pomp! Zwar ist er weltlich,
Doch wenn das Glück, die Zänkerin, ihn schneidet
Vom Eigner, ist es Leid, so stechend, wie
Wenn Seel’ und Leib sich trennen.
Hofdame
.
Arme Fürstin!
Zur Fremden ward sie wieder! –
Anna
.
Um so mehr
Muß Mitleid auf sie taun. Wahrlich, ich schwöre,
Viel besser ist’s, niedrig geboren sein
Und mit geringem Volk zufrieden leben,
Als aufgeputzt im Flitterstaat des Grams
Und goldner Sorgen.
Hofdame
.
Ja, Zufriedenheit
Ist unser bestes Gut.
Anna
.
Auf Treu’ und Unschuld,
Ich möchte keine Kön’gin sein!
Hofdame
.
Mein’ Seel’, ich wohl
Und wagte dran die Unschuld; so auch Ihr,
Trotz Eurer süßgewürzten Heuchelei:
Ihr, die Ihr alle Reize habt des Weibs,
Habt auch ein Weiberherz, das immer noch
Nach Hoheit geizte, Reichtum, Herrschermacht,
Und die, gesteht’s, sind
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