Sämtliche Dramen
nutzlos Fürwort? Weil’s der Brauch verfügt,
Doch wenn sich alles vor Gebräuchen schmiegt,
Wird nie der Staub des Alters abgestreift,
Berghoher Irrtum wird so aufgehäuft,
Daß Wahrheit nie ihn überragt. Eh’ zahm
Noch Narr ich bin, sei aller Ehrenkram
Dem, den’s gelüstet! – Halb ist’s schon geschehn:
Viel überstanden, mag’s nun weiter gehn.
Drei andre Bürger kommen.
Mehr Stimmen noch! –
Eure Stimmen! denn für eure Stimmen focht ich,
Für eure Stimmen wacht’ ich, für eure Stimmen
Hab’ ich zwei Dutzend Narben; achtzehn Schlachten
Hab’ ich gesehn, gehört; für eure Stimmen
Getan sehr vieles, minder, mehr. Eure Stimmen!
Gewiß, gern wär’ ich Konsul.
Fünfter Bürger
. Er hat edel gehandelt, und kein redlicher Mann kann ihm seine Stimme versagen.
Sechster Bürger
. Darum laßt ihn Konsul werden: Die Götter verleihen ihm Glück und machen ihn zum Freund des Volkes!
Alle
.
Amen, Amen!
Gott schütz’ dich, edler Konsul!
Coriolanus
.
Würd’ge Stimmen!
Die Bürger gehn ab. Menenius, Sicinius und Brutus treten auf.
Menenius
.
Ihr g’nügtet jetzt der Vorschrift. Die Tribunen
Erhöhen Euch durch Volkes Stimm’: es bleibt nur,
Daß im Gewand der Würde Ihr alsbald
Nun den Senat besucht.
Coriolanus
.
Ist dies nun aus?
Sicinius
.
Genügt habt Ihr dem Brauche des Ersuchens:
Das Volk bestätigt Euch, Ihr seid geladen
Zur Sitzung, um ernannt sogleich zu werden.
Coriolanus
.
Wo? im Senat?
Sicinius
.
Ja, Coriolanus, dort.
Coriolanus
.
Darf ich die Kleider wechseln?
Sicinius
.
Ja, Ihr dürft es.
Coriolanus
.
Das will ich gleich, und kenn’ ich selbst mich wieder,
Mich zum Senat verfügen.
Menenius
.
Ich geh’ mit Euch. Wollt ihr uns nicht begleiten?
Brutus
.
Wir harren hier des Volks.
Sicinius
.
Gehabt Euch wohl!
Coriolan und Menenius gehn ab.
Er hat’s nun, und, mich dünkt, sein Blick verriet,
Wie’s ihm am Herzen liegt.
Brutus
.
Mit stolzem Herzen trug er
Der Demut Kleid. Wollt Ihr das Volk entlassen?
Die Bürger kommen zurück.
Sicinius
.
Nun, Freunde, habt ihr diesen Mann erwählt?
Erster Bürger
.
Ja, unsre Stimmen hat er.
Brutus
.
Die Götter machen wert ihn eurer Liebe!
Zweiter Bürger
.
Amen! Nach meiner armen, schwachen Einsicht
Verlacht’ er uns, um unsre Stimmen bittend.
Dritter Bürger
.
Gewiß, er höhnt’ uns gradezu.
Erster Bürger
.
Nein, das ist seine Art; er höhnt’ uns nicht.
Zweiter Bürger
.
Du bist der einz’ge, welcher sagt, er habe
Uns schmählich nicht behandelt: zeigen sollt’ er
Die Ehrenmal’, fürs Vaterland die Wunden.
Sicinius
.
Nun, und das tat er doch?
Mehrere Bürger
.
Nein, keiner sah sie.
Dritter Bürger
.
Er habe Wunden, in geheim zu zeigen,
Sprach er, und so den Hut verächtlich schwenkend:
»Ich möchte Konsul sein; – doch, alter Brauch
Erlaubt es nicht, als nur durch eure Stimmen.
Drum, eure Stimmen!« – Als wir eingewilligt,
Da hieß es: »Dank für eure Stimmen, dank’ euch.
O süße Stimmen! Nun ihr gabt die Stimmen,
Stör’ ich euch länger nicht.« – War das kein Hohn?
Sicinius
.
Ihr waret blöde, scheint’s, dies nicht zu sehn,
Und, saht ihr’s, allzu kindisch, freundlich doch
Die Stimmen ihm zu leihn.
Brutus
.
Was? spracht ihr nicht
Nach Anweisung? Als er noch ohne Macht,
Und nur des Vaterlands geringer Diener,
Da war er euer Feind, sprach stets der Freiheit
Entgegen und den Rechten, die ihr habt
Im Körper unsers Staats; und nun erhoben
Zu mächt’gem Einfluß und Regierung selbst, –
Wenn er auch da mit bösem Sinn verharrt,
Feind der Plebejer, könnten eure Stimmen
Zum Fluch euch werden. Konntet ihr nicht sagen:
Gebühr’ auch seinem edlen Tun nichts mindres,
Als was er suche, mög’ er doch mit Huld,
Zum Lohn für eure Stimmen, euer denken,
Verwandelnd seinen Haß für euch in Liebe,
Euch Freund und Gönner sein?
Sicinius
.
Spracht ihr nun so,
Wie man euch riet, so ward sein Geist erregt,
Sein Sinn geprüft; so ward ihm abgelockt
Ein gütiges Versprechen, woran ihr,
Wenn Ursach’ sich ergab, ihn mahnen konntet.
Wo nicht, so ward sein trotzig Herz erbittert,
Das keinem Punkt sich leicht bequemt, der irgend
Ihn binden kann; so, wenn in Wut gebracht,
Nahmt ihr den Vorteil seines Zornes wahr,
Und er blieb unerwählt.
Brutus
.
Bemerktet ihr,
Wie er euch frech verhöhnt’, indem er bat,
Da eure Lieb’ er brauchte? Wie – und glaubt ihr,
Es wird euch nicht sein Hohn zermalmend treffen,
Wenn ihm die Macht
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