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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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läßt sich freiwillig schlagen; Ajax war hier der Freiwillige, und Ihr wurdet zum Dienst gepreßt.
    Thersites
. Meint Ihr! Euch steckt auch der Verstand größtenteils in den Sehnen, oder die Welt lügt. Hektor wird einen rechten Fang tun, wenn er einem von euch das Gehirn ausschlägt: eben so gut möchte er eine taube Nuß ohne Kern aufknacken.
    Achilles
. Fängst du auch mit mir an, Thersites?
    Thersites
. Da sind Ulysses und der alte Nestor, dessen Witz schon schimmlicht war, ehe Euer Großvater Nägel auf den Zehen hatte, – die jochen euch wie ein Gespann Ochsen zusammen, daß ihr den Krieg umpflügen müßt.
    Achilles
. Was? Was?
    Thersites
. Ja, meiner Treu! Hot, Achilles! Ho, Ajax! –
    Ajax
. Ich reiße dir die Zunge aus! –
    Thersites
. Das macht nichts, ich werde hernach noch eben so beredt sein wie du.
    Patroklus
. Kein Wort mehr, Thersites; halt’ Friede!
    Thersites
. Ich muß Friede halten, wenn’s Achills Troddel verlangt, nicht wahr? –
    Achilles
. Das war für dich, Patroklus!
    Thersites
. Ich will euch gehängt sehn wie dumme Teufel, ehe ich je wieder in euer Zelt komme; ich werde mich zu Leuten halten, die ihre fünf Sinne haben, und die Zunft der Narren verlassen. Geht ab.
    Patroklus
. Glück auf den Weg!
    Achilles
.
    Nun wißt: durchs ganze Lager ward verkündigt,
    Daß Hektor morgen um die fünfte Stunde,
    In Mitten unsrer Zelt’ und Trojas Mauern,
    Wird einen Ritter fodern zum Gefecht,
    Der Lust hat, einen Gang zu tun; weshalb,
    Das weiß ich nicht: ’s ist Lumperei! – Lebt wohl!
    Ajax
.
    Lebt wohl! Wer wird sich stellen?
    Achilles
.
    Ich weiß nicht: Lose soll’n entscheiden; sonst
    Fänd’ er wohl seinen Mann.
    Ajax
.
    Aha! Euch selbst? – Da muß ich mehr von hören!
    Sie gehn ab.
    ¶

Zweite Szene
    Priams Palast.
    Es treten auf Priamus, Hektor, Troilus, Paris und Helenus.
    Priamus
.
    Nachdem viel Stunden, Wort’ und Leben schwanden,
    Spricht nochmals Griechenland durch Nestor dies: –
    »Gebt Helena, und jeder andre Schaden,
    Als Ehre, Zeitverlust, Aufwand und Müh’,
    Blut, Freund’, was und noch Teures sonst verschlang
    Des nimmersatten Krieges heiße Gier,
    Sei abgetan.« Hektor, wie dünkt es dich?
    Hektor
.
    Scheut niemand minder Gräcien auch als ich,
    Was mich als einzelnen betrifft, – dennoch,
    Erhabner Priamus,
    Gab’s nie ein Weib von zärtlicherm Gefühl,
    Empfänglicher dem Sinn der Furcht, geneigter
    Zum bangen Ruf: »Wer weiß, was draus entsteht?«
    Als Hektor. Sicherheit macht Frieden krank,
    Zu sichre Sicherheit; doch weiser Zweifel
    Wird dem Klugen Leuchte, dem Arzte Sonde,
    Der Wunde Grund zu prüfen. Geh’ denn Helena!
    Seitdem für sie der erste Schwertstreich fiel,
    War jede zehnte Seel’ aus tausend Zehnten
    In unserm Volk so teu’r als Helena:
    Verloren wir so manches Zehnt der Unsern
    Für eine, die uns fremd, – für uns nicht wert,
    Wenn sie die Unsre wär’, ein Zehnteil nur: –
    Welcher vernünft’ge Grund denn, der uns hindert,
    Sie auszuliefern?
    Troilus
.
    Pfui, o pfui, mein Bruder!
    Wägst du die Her’ und Würde eines Königs,
    Wie unser hoher Vater, nach dem Maß
    Gemeiner Unzen? Willst mit Pfenn’gen zählen
    Seiner Unendlichkeit maßlosen Wert?
    Ein unabsehbar weit Gebiet umzirken
    Mit Zoll und Spanne so geringer Art,
    Wie Fürchten und Vernunft? O pfui der Schmach!
    Helenus
.
    Kein Wunder, wenn Vernunft du schiltst, der selbst
    Vernunft entbehrt. Soll unser Vater nicht
    Sein großes Herrscheramt baun auf Vernunft,
    Weil unvernünftig deine Rede war?
    Troilus
.
    Du bist für Träum’ und Schlummer, Bruder, Priester,
    Und fütterst deine Handschuh’ mit Vernunft:
    Dies sind nun deine Gründe:
    Du weißt, ein Feind sinnt drauf, dir weh zu tun,
    Du weißt, gezückte Schwerter dröhn Gefahr,
    Und die Vernunft flieht das, was Schaden bringt;
    Was Wunder denn, wenn Helenus gewahrt
    Den Griechen und sein Schwert, daß er selbst Fitt’ge
    Tiefer Vernunft sich an die Fersen bindet
    Und wie Merkur, wenn Zeus ihn schilt, entflieht,
    Schnell wie ein Sternschuß? Pred’gen wir Vernunft,
    So schließt die Tor’ und schlaft! Mannheit und Ehre,
    Wenn sie mit Gründen nur sich mästeten,
    Gewännen Hasenherz; Vernunft und Sinnen
    Macht Lebern bleich und Jugendkraft zerrinnen.
    Hektor
.
    Bruder, sie ist nicht wert, was sie uns kostet,
    Sie hier zu halten.
    Troilus
.
    Was hat wohl andern Wert, als wir es schätzen?
    Hektor
.
    Doch nicht des Einzeln Willkür gibt den Wert,
    Er hat Gehalt und Würdigkeit sowohl
    In eigentümlich innrer

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