Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
Vom Netzwerk:
Blume gleich,
    Verwest in der balsam’schen Luft. Ist’s möglich,
    Daß Sittsamkeit mehr unsern Sinn empört
    Als Leichtsinn? Da uns wüster Raum nicht fehlt,
    Soll man die heil’gen Tempel niederreißen,
    Den Frevel dort zu baun? O pfui, pfui, pfui! –
    Was tust du! Ha, was bist du, Angelo!
    Du wünschest sie verderbt, um eben das,
    Was sie erhebt? Oh, laß den Bruder leben! –
    Es hat der Dieb ein freies Recht zum Raub,
    Wenn erst der Richter stiehlt. Was! Lieb’ ich sie,
    Daß mich’s verlangt, sie wieder reden hören,
    An ihrem Blick mich weiden ... Wovon träum’ ich?
    O list’ger Erbfeind! Heil’ge dir zu fangen,
    Köderst du sie mit Heil’gen: höchst gefährlich
    Ist die Versuchung, die durch Tugendliebe
    Zur Sünde reizt. Nie konnte feile Wollust
    Mit ihrer Doppelmacht, Natur und Kunst,
    Mich je verlocken: doch dies fromme Mädchen
    Besiegt mich ganz. Bis heut begriff ich nie
    Die Liebestorheit, fragte lachend, wie? –
    Ab.
    ¶

Dritte Szene
    Zimmer im Gefängnis.
    Es treten auf der Herzog als Mönch gekleidet und der Schließer.
    Herzog
.
    Heil Euch, Freund Schließer! Denn das seid Ihr, denk’ ich.
    Schliesser
.
    Der Schließer bin ich; was begehrt Ihr, Pater?
    Herzog
.
    Nach Christenlieb’ und meiner heil’gen Regel
    Komm’ ich mit Zuspruch zu den armen Seelen
    In diesem Kerker. Laßt, so wie’s der Brauch,
    Sie dort mich sehn, und nennet mir den Grund
    Von ihrer Haft, daß ich, wie sich’s geziemt,
    Mein Amt verwalten mag.
    Schliesser
.
    Gern tat’ ich mehr, wenn Ihr noch mehr bedürft.
    Julia kommt.
    Blickt auf, dort kommt ein Fräulein, hier verhaftet,
    Die durch den Sturm der eignen Jugend fiel
    Und ihren Ruf befleckt. Sie trägt ein Kind,
    Des Vater sterben muß: ein junger Mann,
    Geeigneter, den Fehl zu wiederholen,
    Als drum zu sterben.
    Herzog
.
    Wann soll er sterben?
    Schliesser
.
    Morgen, wie ich glaube.
    Zu Julia.
    Ich traf schon Anstalt; wartet noch ein wenig,
    Dann führt man Euch von hier.
    Herzog
.
    Bereust du, Kind, was du gesündigt hast? –
    Julia
.
    Ich tu’s, und trage meine Schmach geduldig.
    Herzog
.
    Ich lehr’ Euch, wie Ihr Eu’r Gewissen prüft
    Und Eure Reu’ erforscht, ob sie aufrichtig,
    Ob hohl im Innern.
    Julia
.
    Freudig will ich’s lernen.
    Herzog
.
    Liebt Ihr den Mann, der Euch ins Unglück stürzte?
    Julia
.
    Ja, wie das Weib, das ihn ins Unglück stürzte.
    Herzog
.
    So seh’ ich denn, daß beide ihr gesündigt
    Im Einverständnis?
    Julia
.
    Ja, im Einverständnis.
    Herzog
.
    Dann ist Euer Unrecht schwerer noch als seins.
    Julia
.
    Ja, das bekenn’ ich, Vater, und bereu’ es.
    Herzog
.
    Recht, liebes Kind: nur darum nicht bereu’ es,
    Weil dich die Sünd’ in diese Schmach geführt;
    Solch Leid sieht auf sich selbst, nicht auf den Himmel,
    Und zeigt, des Himmels denkt man nicht aus Liebe,
    Nein, nur aus Furcht.
    Julia
.
    Ich fühle Reu’, weil es ein Unrecht war,
    Und trage gern die Schmach.
    Herzog
.
    Beharrt dabei!
    Eu’r Schuldgenoß muß morgen, hör’ ich, sterben:
    Ich geh’ zu ihm und spend’ ihm Trost und Rat. –
    Gnade geleit’ Euch! Benedicite! –
    Geht ab.
    Julia
.
    Muß morgen sterben! O grausame Milde,
    Die mir mein Leben schont, das immerdar
    Nur Grau’n des Todes beut statt Trost!
    Schliesser
.
    ’s ist schad’ um ihn! –
    Gehn ab.
    ¶

Vierte Szene
    Zimmer in Angelos Hause.
    Angelo tritt auf.
    Angelo
.
    Bet’ ich und denk’ ich, geht Gedank’ und Beten
    Verschiednen Weg. Gott hat mein hohles Wort,
    Indes mein Dichten, nicht die Zunge hörend,
    An Isabellen ankert. Gott im Munde –
    Als prägten nur die Lippen seinen Namen;
    Im Herzen wohnt die giftig schwell’nde Sünde
    Des bösen Trachtens. – Der Staat, mein Studium einst,
    Ist wie ein gutes Buch, zu oft gelesen,
    Schal und verhaßt: ja selbst mein Tugendruhm,
    Der sonst – o hör’ es niemand! – all mein Stolz,
    Ich gäb’ ihn für ein Federchen mit Freuden,
    Das müßig spielt im Wind. O Rang! O Würde!
    Wie oft durch äußre Schal’ und Form erzwingst du
    Ehrfurcht von Toren; lockst die Bessern selbst
    Durch falschen Schein! – Blut, du behältst dein Recht;
    Schreibt »guter Engel!« auf des Teufels Hörner,
    So sind sie nicht sein Zeichen mehr.
    Ein Diener kommt.
    Was gibt’s?
    Diener
.
    Eine Nonn’ ist draußen, Isabella heißt sie,
    Die Zutritt wünscht.
    Angelo
.
    Führt sie zu mir herein!
    Diener geht.
    O Himmel!
    Wie sich mein Blut im Sturm zum Herzen drängt,
    Dort alle Kraft und Regsamkeit erstickend,
    Und allen meinen andern

Weitere Kostenlose Bücher