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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Gliedern raubend
    Den nöt’gen Geist! –
    So zum Ohnmächt’gen drängt die tör’ge Menge,
    Bereit zu helfen, und entzieht die Luft,
    Die ihn beleben sollte: eben so
    Der Volksdrang, zeigt sich ein geliebter König,
    Läuft vom Gewerb’ und schwärmt in läst’gem Eifer
    Um seine Gegenwart, wo ungezogne Liebe
    Beleid’gung scheinen muß.
    Isabella tritt auf.
    Nun, schöne Jungfrau?
    Isabella
.
    Ich kam, zu hören, was Euch wohl gefällig.
    Angelo
.
    Viel mehr gefiele mir, wenn du es wüßtest,
    Als daß du mich drum fragst. – Dein Bruder kann nicht leben! –
    Isabella
.
    Das war’s? – Gott schütz’ Euch, Herr!
    Will gehn.
    Angelo
.
    Zwar könnt’ er wohl noch leben, und vielleicht
    So lang’ als Ihr und ich; doch muß er sterben.
    Isabella
.
    Durch Euer Urteil?
    Angelo
.
    Ja.
    Isabella
.
    Ich bitt’ Euch: Wann? – Damit in seiner Frist –
    Lang oder kurz – er sich bereiten mag,
    Daß er nicht Schaden nehm’ an seiner Seele! –
    Angelo
.
    Ha! Pfui dem schnöden Fehl! Mit gleichem Recht
    Verzieh’ ich dem, der aus der Welt entwandt
    Ein schon geformtes Wesen, als willfahrt’ ich
    Unreiner Lust, des Himmels Bild zu prägen
    Mit unerlaubtem Stempel. Ganz so leicht,
    Ein echt geschaffnes Leben falsch vernichten,
    Als Saat zu streuen wider das Gebot,
    Ein falsches zu erzeugen.
    Isabella
.
    So steht’s im Himmel fest, doch nicht auf Erden.
    Angelo
.
    Ah, meinst du? Dann bist du mir schnell gefangen!
    Was wählst du jetzt? Daß höchst gerechtem Spruch
    Dein Bruder fällt; wo nicht, ihn zu erlösen,
    Du selbst den Leib so süßer Schmach dahingäbst,
    Als sie, die er entehrt?
    Isabella
.
    Herr, glaubt es mir,
    Eh’ geb’ ich meinen Leib hin als die Seele.
    Angelo
.
    Nicht sprech’ ich von der Seel’. Erzwungne Sünden,
    Sie werden nur gezählt, nicht angerechnet.
    Isabella
.
    Wie meint Ihr, Herr? –
    Angelo
.
    Nun, nicht verbürg’ ich das; denn ich darf sprechen
    Auch gegen meine Worte. Doch erwäge:
    Ich, jetzt der Mund des anerkannten Rechts,
    Fälle das Todesurteil deinem Bruder:
    Wär’ etwa nicht Erbarmung in der Sünde,
    Die ihn befreite?
    Isabella
.
    So begeht sie denn,
    Ich nehm’ auf meine Seele die Gefahr.
    Durchaus nicht Sünde wär’ es, nur Erbarmung! –
    Angelo
.
    Begingt Ihr sie und nähmt auf Euch die Tat,
    Gleich schwer dann wögen Sünde wie Erbarmung.
    Isabella
.
    Wenn ich sein Leben bitt’, ist Sünde das,
    Die laß mich tragen! Gott! Gewährt Ihr es,
    Ist Sünde das, – dann sei’s mein Frühgebet,
    Daß sie zu meinem Unrecht sei gezählt
    Und Ihr sie nicht vertretet.
    Angelo
.
    Nein doch, hört mich: –
    Dein Sinn erfaßt mich nicht, sprichst du’s in Einfalt?
    Stellst du dich listig so? Das ist nicht gut! –
    Isabella
.
    Sei ich einfältig dann und gut in nichts,
    Als daß ich fromm erkenn’, ich sei nicht besser.
    Angelo
.
    So strebt die Weisheit nur nach hellstem Glanz,
    Setzt sie sich selbst herab, wie schwarze Masken
    Verdeckte Schönheit zehnmal mehr erheben,
    Als Reiz, zur Schau getragen. Doch merkt auf;
    Daß Ihr mich ganz begreift, red’ ich bestimmter: –
    Eu’r Bruder kann nicht leben.
    Isabella
.
    Wohl! –
    Angelo
.
    Und sein Vergehn ist so, daß offenbar
    Nach dem Gesetz ihn diese Strafe trifft.
    Isabella
.
    Wahr! –
    Angelo
.
    Nehmt an, kein Mittel gäb’s, ihn zu erretten –
    (Zwar nicht verbürg’ ich dieses, noch ein andres,
    Und setze nur den Fall) – Ihr, seine Schwester,
    Würdet begehrt von einem Mächtigen,
    Des hoher Rang und Einfluß auf den Richter
    Den Bruder könnt’ erlösen aus den Fesseln
    Allbindender Gesetze; und es gäbe
    Den einz’gen Ausweg nur, ihn zu befrein,
    Daß Ihr den Reichtum Eurer Schönheit schenktet
    Dem Mächtigen, – wo nicht, – stürb’ Euer Bruder: –
    Was tätet Ihr? –
    Isabella
.
    So viel für meinen Bruder als für mich;
    Das heißt: wär’ über mich der Tod verhängt,
    Der Geißel Striemen trüg’ ich als Rubinen,
    Und zög’ mich aus zum Tode, wie zum Schlaf,
    Den ich mir längst ersehnt, eh’ ich den Leib
    Der Schmach hingäbe.
    Angelo
.
    Dann müßt’ Euer Bruder sterben.
    Isabella
.
    Und besser wär’s gewiß.
    Viel lieber mag ein Bruder einmal sterben,
    Als daß die Schwester, um ihn frei zu kaufen,
    Auf ewig sterben sollte.
    Angelo
.
    Wär’t Ihr dann nicht so grausam, als der Spruch,
    Auf den Ihr so geschmäht? –
    Isabella
.
    Die Schand’ im Loskauf und ein frei Verzeihr
    Sind nicht Geschwister: des Gesetzes Gnade
    War nie verwandt mit schmählichem

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