Sämtliche Werke
Heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag. Alle Sinne stärker, höher, vollkommener, und doch den Gebrauch von keinem.
Weislingen .
Das ist seltsam.
Franz .
Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, saß sie bei ihm. Sie spielten Schach. Er war sehr gnädig, reichte mir seine Hand zu küssen und sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin, sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem großen Streich nachsänne. Ein feiner, lauernder Zug um Mund und Wange! Ich hätte der elfenbeinerne König sein mögen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer Stirn. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den finstern Haaren erhoben ward!
Weislingen .
Du bist drüber gar zum Dichter geworden. Franz. So fühl’ ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein volles, ganz von einer Empfindung volles Herz! Wie der Bischof endigte und ich mich neigte, sah sie mich an und sagte: Auch von mir einen Gruß unbekannterweise! Sag’ ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf ihn. Er soll sie nicht verachten, wenn er schon an alten so reich ist. – Ich wollte was antworten, aber der Pass vom Herzen nach der Zunge war versperrt, ich neigte mich. Ich hätte mein vermögen gegeben, die Spitze ihres kleinen Fingers küssen zu dürfen! Wie ich so stund, warf der Bischof einen Bauern herunter, ich fuhr darnach und rührte im Aufheben den Saum ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich weiß nicht, wie ich zur Tür hinausgekommen bin.
Weislingen .
Ist ihr Mann bei Hofe?
Franz .
Sie ist schon vier Monat Witwe. Um sich zu zerstreuen, hält sie sich in Bamberg auf. Ihr werdet sie sehen. Wenn sie einen ansieht, ist’s als wenn man in der Frühlingssonne stünde.
Weislingen .
Es würde eine schwächere Wirkung auf mich haben.
Franz .
Ich höre, Ihr seid so gut als verheiratet. Weislingen. Wollte, ich wär’s. Meine sanfte Marie wird das Glück meines Lebens machen. Ihre süße Seele bildet sich in ihren blauen Augen. Und weiß wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie mein herz zur Ruhe und Glückseligkeit. Pack zusammen! Und dann auf mein Schloss! Ich will Bamberg nicht sehen, und wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte. (Geht ab.)
Franz .
Da sei Gott vor! Wollen das Beste hoffen! Maria ist liebreich und schön, und einem Gefangenen und Kranken kann ich’s nicht übel nehmen, der sich in sie verliebt. In ihren Augen ist Trost, gesellschaftliche Melancholie. – Aber um Dich, Adelheid, ist Leben, Feuer, Mut – Ich würde! – Ich bin ein Narr – dazu machte mich ein Blick von ihr. Mein Herr muss hin! Ich muss hin! Und da will ich mich wieder gescheit oder völlig rasend gaffen.
*
Akt II.
(Bamberg. Ein Saal.)
Bischof, Adelheid spielen Schach. Liebetraut mit einer Zither. Frauen, Hofleute um ihn herum am Kamin.
Liebetraut (spielt und singt) .
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen,
Die Fackel in Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und männilich siegen
Mit stürmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten,
Die Flügelein schwirrten,
Die Augen entbrannt.
Da fand er die Busen Ach leider so bloß,
Sie nahmen so willig
Ihn all auf den Schoß.
Er schüttet die Pfeile
Zum Fenster hinein,
Sie herzten und drückten
Und wiegten ihn ein.
Hei ei o! Popeio!
Adelheid .
Ihr seid nicht bei Euerm Spiel. Schach dem König!
Bischof .
Es ist noch Auskunft.
Adelheid .
Lange werdet Ihr’s nicht mehr treiben. Schach dem König!
Liebetraut .
Dies Spiel spielt’ ich nicht, wenn ich ein großer Herr wär’, und verböt’s am Hofe und im ganzen Land.
Adelheid .
Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.
Liebetraut .
Nicht darum! Ich wollte lieber das Geheul der Totenglocke und ominöser Vögel, lieber das Gebell des knurrischen Hofhunds Gewissen, lieber wollt’ ich sie durch den tiefsten Schlaf hören, als von Läufern, Springern und andern Bestien das ewige: Schach dem König!
Bischof .
Wem wird auch das einfallen!
Liebetraut .
Einem zum Exempel, der schwach wäre und ein stark Gewissen hätte, wie denn das meistenteils beisammen ist. Sie nennen’s ein königlich Spiel und sagen, es sei für einen König erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer von Überfluss belohnt habe. Wenn das wahr ist, so ist mir’s, als wenn ich ihn sähe. Er
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