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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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geheiratet, und unerachtet des geringen Zustandes ihrer Glücksgüter erhielten sie sich durch gute Aufführung und durch die Annehmlichkeit ihres Geistes eine Menge Freunde, die sich wechselweise beeiferten, ihren Kredit und ihre Geschäfte zu erweitern.
    Clavigo (wird immer aufmerksamer) .
    Beaumarchais .
    Ungefähr um ebendie Zeit hatte sich ein junger Mensch, von den Kanarischen Inseln bürtig, in dem Hause vorstellen lassen.
    Clavigo (verliert alle Munterkeit aus seinem Gesicht, und sein Ernst geht nach und nach in eine Verlegenheit über, die immer sichtbarer wird) .
    Beaumarchais .
    Ungeachtet seines geringen Standes und Vermögens nimmt man ihn gefällig auf. Die Frauenzimmer, die eine große Begierde zur französischen Sprache an ihm bemerkten, erleichtern ihm alle Mittel, sich in weniger Zeit große Kenntnisse zu erwerben.
    Voll von Begierde, sich einen Namen zu machen, fällt er auf den Gedanken, der Stadt Madrid das seiner Nation noch unbekannte Vergnügen einer Wochenschrift im Geschmack des englischen „Zuschauers“ zu geben. Seine Freundinnen lassen es nicht ermangeln, ihm auf alle Art beizustehen; man zweifelt nicht, dass ein solches Unternehmen großen Beifall finden würde; genug, ermuntert durch die Hoffnung, nun bald ein Mensch von einiger Bedeutung werden zu können, wagt er es, der jüngsten einen Heiratsvorschlag zu tun.
    Man gibt ihm Hoffnung. „Sucht Euer Glück zu machen,“ sagt die älteste, „und wenn Euch ein Amt, die Gunst des Hofes, oder irgend sonst ein Mittel ein Recht wird gegeben haben, an meine Schwester zu denken, wenn sie Euch dann andern Freiern vorzieht, kann ich Euch meine Einwilligung nicht versagen.“
    Clavigo (bewegt sich in höchster Verwirrung auf seinem Sessel) .
    Beaumarchais .
    Die jüngste schlägt verschiedene ansehnliche Partien aus; ihre Neigung gegen den Menschen nimmt zu und hilft ihr die Sorge einer ungewissen Erwartung tragen; sie interessiert sich für sein Glück wie für ihr eigenes und ermuntert ihn, das erste Blatt seiner Wochenschrift zu geben, das unter einem viel versprechenden Titel erscheint.
    Clavigo (ist in der entsetzlichsten Verlegenheit) .
    Beaumarchais (ganz kalt) .
    Das Werk macht ein erstaunendes Glück; der König selbst, durch diese liebenswürdige Produktion ergötzt, gab dem Autor öffentliche Zeichen seiner Gnade. Man versprach ihm das erste ansehnliche Amt, das sich auftun würde. Von dem Augenblick an entfernt er alle Nebenbuhler von seiner Geliebten, indem er ganz öffentlich sich um sie bemühte. Die Heirat verzog sich nur in Erwartung der zugesagten Versorgung. – Endlich nach sechs Jahren Harrens, ununterbrochener Freundschaft, Beistands und Liebe von Seiten des Mädchens, nach sechs Jahren Ergebenheit, Dankbarkeit, Bemühungen, heiliger Versicherungen von Seiten des Mannes erscheint das Amt – und er verschwindet –
    Clavigo (es entfährt ihm ein tiefer Seufzer, den er zu verbergen sucht und ganz außer sich ist) .
    Beaumarchais .
    Die Sache hatte zu großes Aufsehn gemacht, als dass man die Entwicklung sollte gleichgültig angesehen haben. Ein Haus für zwei Familien war gemietet. Die ganze Stadt sprach davon. Alle Freunde waren aufs höchste aufgebracht und suchten Rache. Man wendete sich an mächtige Gönner; allein der Nichtswürdige, der nun schon in die Kabalen des Hofs initiiert war, weiß alle Bemühungen fruchtlos zu machen und geht in seiner Insolenz wo weit, dass er es wagt, den Unglücklichen zu drohen, wagt, denen Freunden, die sich zu ihm begeben, ins Gesicht zu sagen: Die Französinnen sollten sich in acht nehmen, er biete sie auf, ihm zu schaden, und wenn sie sich unterständen, etwas gegen ihn zu unternehmen, so wär’s ihm ein leichtes, sie in einem fremden Lande zu verderben, wo sie ohne Schutz und Hilfe seien.
    Das arme Mädchen fiel auf die Nachricht in Konvulsionen, die ihr den Tod drohten. In der Tiefe ihres Jammers schreibt die älteste nach Frankreich die offenbare Beschimpfung, die ihnen angetan worden. Die Nachricht bewegt ihren Bruder aufs schrecklichste, er verlangt seinen Abschied, um in so einer verwirrten Sache selbst Rat und Hilfe zu schaffen, er ist im Fluge von Paris zu Madrid, und der Bruder – bin ich! Der alles verlassen hat, Vaterland, Pflichten, Familie, Stand, vergnügen, um in Spanien eine unschuldige unglückliche Schwester zu rächen.
    Ich komme, bewaffnet mit der besten Sache und aller Entschlossenheit, einen Verräter zu entlarven, mit blutigen Zügen seine Seele auf sein

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