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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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das Buch Cosari.
    Doch der Himmel gießt herunter
    Zwei verschiedne Sorten Lichtes:
    Grelles Tageslicht der Sonne
    Und das mildre Mondlicht – Also,
    Also leuchtet auch der Talmud
    Zwiefach, und man teilt ihn ein
    In Halacha und Hagada.
    Erstre nannt ich eine Fechtschul’ –
    Letztre aber, die Hagada,
    Will ich einen Garten nennen,
    Einen Garten, hochphantastisch
    Und vergleichbar jenem andern,
    Welcher ebenfalls dem Boden
    Babylons entsprossen weiland –
    Garten der Semiramis,
    Achtes Wunderwerk der Welt.
    Königin Semiramis,
    Die als Kind erzogen worden
    Von den Vögeln, und gar manche
    Vögeltümlichkeit bewahrte,
    Wollte nicht auf platter Erde
    Promenieren wie wir andern
    Säugetiere, und sie pflanzte
    Einen Garten in der Luft –
    Hoch auf kolossalen Säulen
    Prangten Palmen und Zypressen,
    Goldorangen, Blumenbeete,
    Marmorbilder, auch Springbrunnen,
    Alles klug und fest verbunden
    Durch unzähl’ge Hängebrücken,
    Die wie Schlingepflanzen aussahn
    Und worauf sich Vögel wiegten –
    Große, bunte, ernste Vögel,
    Tiefe Denker, die nicht singen,
    Während sie umflattert kleines
    Zeisigvolk, das lustig trillert –
    Alle atmen ein, beseligt,
    Einen reinen Balsamduft,
    Welcher unvermischt mit schnödem
    Erdendunst und Mißgeruche.
    Die Hagada ist ein Garten
    Solcher Luftkindgrillenart,
    Und der junge Talmudschüler,
    Wenn sein Herze war bestäubet
    Und betäubet vom Gezänke
    Der Halacha, vom Dispute
    Über das fatale Ei,
    Das ein Huhn gelegt am Festtag,
    Oder über eine Frage
    Gleicher Importanz – der Knabe
    Floh alsdann, sich zu erfrischen,
    In die blühende Hagada,
    Wo die schönen alten Sagen,
    Engelmärchen und Legenden,
    Stille Märtyrerhistorien,
    Festgesänge, Weisheitsprüche,
    Auch Hyperbeln, gar possierlich,
    Alles aber glaubenskräftig,
    Glaubensglühend – Oh, das glänzte,
    Quoll und sproß so überschwenglich –
    Und des Knaben edles Herze
    Ward ergriffen von der wilden,
    Abenteuerlichen Süße,
    Von der wundersamen Schmerzlust
    Und den fabelhaften Schauern
    Jener seligen Geheimwelt,
    Jener großen Offenbarung,
    Die wir nennen Poesie.
    Auch die Kunst der Poesie,
    Heitres Wissen, holdes Können,
    Welches wir die Dichtkunst heißen,
    Tat sich auf dem Sinn des Knaben.
    Und Jehuda ben Halevy
    Ward nicht bloß ein Schriftgelehrter,
    Sondern auch der Dichtkunst Meister,
    Sondern auch ein großer Dichter.
    Ja, er ward ein großer Dichter,
    Stern und Fackel seiner Zeit,
    Seines Volkes Licht und Leuchte,
    Eine wunderbare, große
    Feuersäule des Gesanges,
    Die der Schmerzenskarawane
    Israels vorangezogen
    In der Wüste des Exils.
    Rein und wahrhaft, sonder Makel
    War sein Lied, wie seine Seele –
    Als der Schöpfer sie erschaffen,
    Diese Seele, selbstzufrieden
    Küßte er die schöne Seele,
    Und des Kusses holder Nachklang
    Bebt in jedem Lied des Dichters,
    Das geweiht durch diese Gnade.
    Wie im Leben, so im Dichten
    Ist das höchste Gut die Gnade –
    Wer sie hat, der kann nicht sünd’gen,
    Nicht in Versen, noch in Prosa.
    Solchen Dichter von der Gnade
    Gottes nennen wir Genie:
    Unverantwortlicher König
    Des Gedankenreiches ist er.
    Nur dem Gotte steht er Rede,
    Nicht dem Volke – In der Kunst,
    Wie im Leben, kann das Volk
    Töten uns, doch niemals richten. –
    2.
    »Bei den Wassern Babels saßen
    Wir und weinten, unsre Harfen
    Lehnten an den Trauerweiden« –
    Kennst du noch das alte Lied?
    Kennst du noch die alte Weise,
    Die im Anfang so elegisch
    Greint und sumset, wie ein Kessel,
    Welcher auf dem Herde kocht?
    Lange schon, jahrtausendlange
    Kocht’s in mir. Ein dunkles Wehe!
    Und die Zeit leckt meine Wunde,
    Wie der Hund die Schwären Hiobs.
    Dank dir, Hund, für deinen Speichel –
    Doch das kann nur kühlend lindern –
    Heilen kann mich nur der Tod,
    Aber, ach, ich bin unsterblich!
    Jahre kommen und vergehen –
    In dem Webstuhl läuft geschäftig
    Schnurrend hin und her die Spule –
    Was er webt, das weiß kein Weber.
    Jahre kommen und vergehen,
    Menschentränen träufeln, rinnen
    Auf die Erde, und die Erde
    Saugt sie ein mit stiller Gier –
    Tolle Sud! Der Deckel springt –
    Heil dem Manne, dessen Hand
    Deine junge Brut ergreifet
    Und zerschmettert an der Felswand.
    Gott sei Dank! die Sud verdampfet
    In dem Kessel, der allmählich
    Ganz verstummt. Es weicht mein Spleen,
    Mein westöstlich dunkler Spleen –
    Auch mein Flügelrößlein wiehert
    Wieder heiter, scheint den bösen
    Nachtalp von sich abzuschütteln,
    Und die klugen Augen fragen:
    »Reiten wir zurück nach

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