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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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war für mich sehr bedeutungsvoll bei denjenigen Stellen, wo Mignet mit allzu großer Behagnis von der definitiven Begründung der modernen Zustände sprach: so lächelt Äolus, wenn Daphnis am windstillen Ufer des Meeres die friedliche Flöte bläst!
    Die ganze Rede von Mignet dürfte Ihnen in kurzem gedruckt zu Gesicht kommen, und die Fülle des Inhalts wird Sie alsdann gewiß erfreuen; aber nimmermehr kann die bloße Lektüre den lebendigen Vortrag ersetzen, der, wie eine tiefsinnige Musik, im Zuhörer eine Reihenfolge von Ideen anregt. So klingt mir noch beständig im Gedächtnis eine Bemerkung, die der Redner in wenigen Worten hinwarf und die dennoch fruchtbar an wichtigen Gedanken ist. Er bemerkte nämlich, wie ersprießlich es sei, daß das neue Gesetzbuch der Franzosen von Männern abgefaßt worden, die aus den wilden Drangsalen der größten Staatsumwälzung soeben hervorgegangen und folglich die menschlichen Passionen und zeitlichen Bedürfnisse gründlichst kennengelernt hatten. Ja, beachten wir diesen Umstand, so will es uns bedünken, als begünstigte derselbe ganz besonders die jetzige französische Legislation, als verliehe er einen ganz außerordentlichen Wert jenem Code Napoléon und dessen Kommentarien, welche nicht wie andere Rechtsbücher von müßigen und kühlen Kasuisten angefertigt sind, sondern von glühenden Menschheitsrettern, die alle Leidenschaften in ihrer Nacktheit gesehen und in die Schmerzen aller neuern Lebensfragen durch die Tat eingeweiht worden. Von dem Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung hat die philosophische Schule in Deutschland ebenso unrichtige Begriffe wie die historische; erstere ist tot, und letztere hat noch nicht gelebt.
    Die Rede, womit Victor Cousin vorigen Sonnabend die Sitzung der Akademie eröffnete, atmete einen Freiheitssinn, den wir immer mit Freude bei ihm anerkennen werden. Er ist übrigens in diesen Blättern von einem unsrer Kollegen so reichlich gelobhudelt worden, daß er vorderhand dessen genug haben dürfte. Nur soviel wollen wir erwähnen, daß der Mann, den wir früherhin nicht sonderlich liebten, uns in der letzten Zeit zwar keine währliche Zuneigung, aber eine bessere Anerkennung einflößte. Armer Cousin, wir haben dich früherhin sehr malträtiert, dich, der du immer für uns Deutsche so liebreich und freundlich warest. Sonderbar, eben während der treue Zögling der deutschen Schule, der Freund Hegels, unser Victor Cousin, in Frankreich Minister war, brach in Deutschland gegen die Franzosen jener blinde Groll los, der jetzt allmählich schwindet und vielleicht einst unbegreiflich sein wird. Ich erinnere mich, zu jener Zeit, vorigen Herbst, begegnete ich Herrn Cousin auf dem Boulevard des Italiens, wo er vor einem Kupferstichladen stand und die dort ausgestellten Bilder von Overbeck bewunderte. Die Welt war aus ihren Angeln gerissen, der Kanonendonner von Beirut, wie eine Sturmglocke, weckte alle Kampflust des Orients und des Okzidents, die Pyramiden Ägyptens zitterten, diesseits und jenseits des Rheins wetzte man die Säbel – und Victor Cousin, damaliger Minister von Frankreich, stand ruhig vor dem Bilderladen des Boulevard des Italiens und bewunderte die stillen, frommen Heiligenköpfe von Overbeck und sprach mit Entzücken von der Vortrefflichkeit deutscher Kunst und Wissenschaft, von unserem Gemüt und Tiefsinn, von unserer Gerechtigkeitsliebe und Humanität. »Aber um des Himmels willen«, unterbrach er sich plötzlich, wie aus einem Traum erwachend, »was bedeutet die Raserei, womit ihr in Deutschland jetzt plötzlich gegen uns schreit und lärmt?« Er konnte diese Berserkerwut nicht begreifen, und auch ich begriff nichts davon, und Arm in Arm über den Boulevard hinwandelnd, erschöpften wir uns in lauter Konjekturen über die letzten Gründe jener Feindseligkeit, bis wir an das Passage des Panoramas gelangten, wo Cousin mich verließ, um sich bei Marquis ein Pfund Schokolade zu kaufen.
    Ich konstatiere mit besonderer Vorliebe die kleinsten Umstände, welche von der Sympathie zeugen, die ich in betreff Deutschlands bei den französischen Staatsmännern finde. Daß wir dergleichen bei Guizot antreffen, ist leicht erklärlich, da seine Anschauungsweise der unsrigen verwandt ist und er die Bedürfnisse und das gute Recht des deutschen Volks sehr gründlich begreift. Dieses Verständnis versöhnt ihn vielleicht auch mit unsern beiläufigen Verkehrtheiten: die Worte »Tout comprendre, c’est tout pardonner« las ich dieser Tage auf dem

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