Sämtliche Werke
Gesellschaft hätten alsdann immer einen Admiral bei sich, was ihnen zu Toulon oder Brest, wo es viel zu rudern gibt, von Nutzen sein möchte. Mein Freund irrt sich. Jene Leute haben nicht zu befürchten, in Toulon oder in Brest ans Ruder zu kommen; das Ruder, das ihren Händen einst anheimfällt oder zum Teil schon anheimgefallen, gehört einer ganz andern Örtlichkeit, es ist das Staatsruder, dessen sich die herrschende Geldaristokratie täglich mehr und mehr bemächtigt. Jene Leute werden bald nicht sowohl das Comité de surveillance der Eisenbahnsozietät, sondern auch das Comité de surveillance unserer ganzen bürgerlichen Gesellschaft bilden, und sie werden es sein, die uns nach Toulon oder Brest schicken.
Das Haus Rothschild, welches die Konzession der Nordeisenbahn soumissioniert und sie aller Wahrscheinlichkeit nach erhalten wird, bildet keine eigentliche Sozietät, und jede Beteiligung, die jenes Haus einzelnen Personen gewährt, ist eine Vergünstigung, ja, um mich ganz bestimmt auszudrücken, sie ist ein Geldgeschenk, das Herr von Rothschild seinen Freunden angedeihen läßt. Die eventuellen Aktien, die sogenannten Promessen des Hauses Rothschild, stehen nämlich schon mehre hundert Franken über pari, und wer daher solche Aktien al pari von dem Baron James de Rothschild begehrt, bettelt im wahren Sinne des Wortes. Aber die ganze Welt bettelt jetzt bei ihm, es regnet Bettelbriefe, und da die Vornehmsten mit dem würdigen Beispiel vorangehen, ist jetzt das Betteln keine Schande mehr. Herr von Rothschild ist daher der Held des Tages, und er spielt überhaupt in der Geschichte unsrer heutigen misère eine so große Rolle, daß ich ihn oft und so ernsthaft als möglich besprechen muß. Er ist in der Tat eine merkwürdige Person. Ich kann seine finanzielle Fähigkeit nicht beurteilen, aber nach Resultaten zu schließen, muß sie sehr groß sein. Eine eigentümliche Kapazität ist bei ihm die Beobachtungsgabe oder der Instinkt, womit er die Kapazitäten andrer Leute in jeder Sphäre, wo nicht zu beurteilen, doch herauszufinden versteht. Man hat ihn ob solcher Begabnis mit Ludwig XIV. verglichen; und wirklich, im Gegensatz zu seinen Herren Kollegen, die sich gern mit einem Generalstab von Mittelmäßigkeiten umgeben, sahen wir Hrn. James von Rothschild immer in intimster Verbindung mit den Notabilitäten jeder Disziplin: wenn ihm auch das Fach ganz unbekannt war, so wußte er doch immer, wer darin der beste Mann. Er versteht vielleicht keine Note Musik, aber Rossini war beständig sein Hausfreund. Ary Scheffer ist sein Hofmaler; Carême war sein Koch. Hr. v. Rothschild weiß sicher kein Wort Griechisch, aber der Hellenist Letronne ist der Gelehrte, den er am meisten auszeichnet. Sein Leibarzt war der geniale Dupuytren, und es herrschte zwischen beiden die brüderlichste Zuneigung. Den Wert eines Crémieux, des großen Juristen, dem eine große Zukunft bevorsteht, hat Hr. v. Rothschild schon frühe begriffen, und er fand in ihm seinen treuen Anwalt. In gleicher Weise hat er die politischen Fähigkeiten Ludwig Philipps gleich von Anfang gewürdigt, und er stand immer auf vertrautem Fuße mit diesem Großmeister der Staatskunst. Den Émile Péreire, den Pontifex maximus der Eisenbahnen, hat Hr. v. Rothschild ganz eigentlich entdeckt, er machte denselben gleich zu seinem ersten Ingenieur, und durch ihn gründete er die Eisenbahn nach Versailles. Die Poesie, sowohl die französische wie die deutsche, ist ebenfalls in der Gunst des Hrn. v. Rothschild sehr würdig vertreten, doch will es mich bedünken, als ob hier nur eine liebenswürdige Courtoisie im Spiele und als ob der Herr Baron für unsre heutigen lebenden Dichter nicht so schwärmerisch begeistert sei wie für die großen Toten, z.B. für Homer, Sophokles, Dante, Cervantes, Shakespeare, Goethe, lauter verstorbene Poeten, verklärte Genien, die, geläutert von allen irdischen Schlacken, jeder Erdennot entrückt sind und keine Nordeisenbahnaktien verlangen.
In diesem Augenblick ist der Stern Rothschild im Zenit seines Glanzes. Ich weiß nicht, ob ich mir nicht einen Mangel an Devotion zuschulden kommen lasse, indem ich Hrn. v. Rothschild nur einen Stern nannte. Doch er wird mir nicht darob grollen, wie jener andre, Ludwig XIV., der einst über einen armen Dichter in Zorn geriet, weil er die Impertinenz hatte, ihn mit einem Stern zu vergleichen, ihn, der gewohnt war, die Sonne genannt zu werden, und auch diesen Himmelskörper als sein offizielles Sinnbild
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