Sämtliche Werke
angenommen.
Ich will heute, um ganz sicher zu gehen, Hrn. v. Rothschild dennoch mit der Sonne vergleichen, erstens kostet es mir nichts, und dann, wahrhaftig, ich kann es mit gutem Fug in diesem Augenblick, wo jeder ihm huldigt, um von seinen goldnen Strahlen gewärmt zu werden. – Unter uns gesagt, diese Furor der Verehrung ist für die arme Sonne keine geringe Plage, und sie hat keine Ruhe vor ihren Anbetern, worunter manche gehören, die wahrlich nicht wert sind, von der Sonne beschienen zu werden; diese Pharisäer psalmodieren am lautesten ihr Lob und Preis, und der arme Baron wird von ihnen so sehr moralisch torquiert und abgehetzt, daß man ein Mitleid mit ihm haben möchte. Ich glaube überhaupt, das Geld ist für ihn mehr ein Unglück als ein Glück; hätte er ein hartes Naturell, so würde er weniger Ungemach ausstehen, aber ein gutmütiger, sanfter Mensch, wie er ist, muß er viel leiden von dem Andrang des vielen Elends, das er lindern soll, von den Ansprüchen, die man beständig an ihn macht, und von dem Undank, der jeder seiner Wohltaten auf dem Fuße folgt. Überreichtum ist vielleicht schwerer zu ertragen als Armut. Jedem, der sich in großer Geldnot befindet, rate ich, zu Hrn. v. Rothschild zu gehen; nicht um bei ihm zu borgen (denn ich zweifle, daß er etwas Erkleckliches bekömmt), sondern um sich durch den Anblick jenes Geldelends zu trösten. Der arme Teufel, der zuwenig hat und sich nicht zu helfen weiß, wird sich hier überzeugen, daß es einen Menschen gibt, der noch weit mehr gequält ist, weil er zuviel Geld hat, weil alles Geld der Welt in seine kosmopolitische Riesentasche geflossen und weil er eine solche Last mit sich herumschleppen muß, während rings um ihn her der große Haufen von Hungrigen und Dieben die Hände nach ihm ausstreckt. Und welche schreckliche und gefährliche Hände! – »Wie geht es Ihnen?« frug einst ein deutscher Dichter den Herrn Baron. »Ich bin verrückt«, erwiderte dieser. »Ehe Sie nicht Geld zum Fenster hinauswerfen«, sagte der Dichter, »glaube ich es nicht.« Der Baron fiel ihm aber seufzend in die Rede: »Das ist eben meine Verrücktheit, daß ich nicht manchmal das Geld zum Fenster hinauswerfe.«
Wie unglücklich sind doch die Reichen in diesem Leben – und nach dem Tode kommen sie nicht einmal in den Himmel! »Ein Kamel wird eher durch ein Nadelöhr gehen, als daß ein Reicher ins Himmelreich käme« – dieses Wort des göttlichen Kommunisten ist ein furchtbares Anathema und zeugt von seinem bittern Haß gegen die Börse und Hautefinance von Jerusalem. Es wimmelt in der Welt von Philanthropen, es gibt Tierquälergesellschaften, und man tut wirklich sehr viel für die Armen. Aber für die Reichen, die noch viel unglücklicher sind, geschieht gar nichts. Statt Preisfragen über Seidenkultur, Stallfütterung und Kantsche Philosophie aufzugeben, sollten unsre gelehrten Sozietäten einen bedeutenden Preis aussetzen zur Lösung der Frage, wie man ein Kamel durch ein Nadelöhr fädeln könne. Ehe diese große Kamelfrage gelöst ist und die Reichen eine Aussicht gewinnen, ins Himmelreich zu kommen, wird auch für die Armen kein durchgreifendes Heil begründet. Die Reichen würden weniger hartherzig sein, wenn sie nicht bloß auf Erdenglück angewiesen wären und nicht die Armen beneiden müßten, die einst dort oben in floribus sich des ewigen Lebens gaudieren. Sie sagen: »Warum sollen wir hier auf Erden für das Lumpengesindel etwas tun, da es ihm doch einst besser geht als uns und wir jedenfalls nach dem Tode nicht mit demselben zusammentreffen.« Wüßten die Reichen, daß sie dort oben wieder in aller Ewigkeit mit uns gemeinsam hausen müssen, so würden sie sich gewiß hier auf Erden etwas genieren und sich hüten, uns gar zu sehr zu mißhandeln. Laßt uns daher vor allem die große Kamelfrage lösen.
Hartherzig sind die Reichen, das ist wahr. Sie sind es sogar gegen ihre ehemaligen Kollegen, wenn sie etwas heruntergekommen sind. Da bin ich jüngst dem armen August Leo begegnet, und das Herz blutete mir beim Anblick des Mannes, der ehemals mit den Häuptern der Börse, mit der Aristokratie der Spekulanten, so intim verbunden und sogar selbst ein Stück Bankier war. Aber sagt mir doch, ihr hochmögenden Herren, was hat euch der arme Leo getan, daß ihr ihn so schnöde ausgestoßen habt aus der Gemeinde? – ich meine nicht aus der jüdischen, ich meine aus der Finanzgemeinde. Ja, der Ärmste genießt seit einiger Zeit die Ungunst seiner Genossen
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