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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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herrscht derselbe ironische Parallelismus wie zwischen dem Knappen und seinem Ritter, und auch die beiden Tiere sind gewissermaßen die symbolischen Träger derselben Ideen. Wie in ihrer Denkungsart, so offenbaren Herr und Diener auch in ihrer Sprache die merkwürdigsten Gegensätze, und hier kann ich nicht umhin, der Schwierigkeiten zu erwähnen, welche der Übersetzer zu überwinden hatte, der die hausbackene, knorrige, niedrige Sprechart des guten Sancho ins Deutsche übertrug. Durch seine gehackte, nicht selten unsaubere Sprichwörtlichkeit mahnt der gute Sancho ganz an den Narren des Königs Salomon, an Markulf, der ebenfalls einem pathetischen Idealismus gegenüber das Erfahrungswissen des gemeinen Volkes in kurzen Sprüchen vorträgt. Don Quixote hingegen redet die Sprache der Bildung, des höheren Standes, und auch in der Grandezza des wohlgeründeten Periodenbaues repräsentiert er den vornehmen Hidalgo. Zuweilen ist dieser Periodenbau allzuweit ausgesponnen, und die Sprache des Ritters gleicht einer stolzen Hofdame in aufgebauschtem Seidenkleid mit langer rauschender Schleppe. Aber die Grazien, als Pagen verkleidet, tragen lächelnd einen Zipfel dieser Schleppe: die langen Perioden schließen mit den anmutigsten Wendungen.
    Den Charakter der Sprache Don Quixotes und Sancho Pansas resümieren wir in den Worten: der erstere, wenn er redet, scheint immer auf seinem hohen Pferde zu sitzen, der andere spricht, als säße er auf seinem niedrigen Esel.
    Mir bliebe noch übrig, von den Illustrationen zu sprechen, womit die Verlagshandlung diese neue Übersetzung des »Don Quixote«, die ich hier bevorworte, ausgeschmückt hat. Diese Ausgabe ist das erste der schönen Literatur angehörige Buch, das in Deutschland auf diese Weise verziert ans Licht tritt. In England und namentlich in Frankreich sind dergleichen Illustrationen an der Tagesordnung und finden einen fast enthusiastischen Beifall. Deutsche Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit wird aber gewiß die Frage aufwerfen: Sind den Interessen wahrer Kunst dergleichen Illustrationen förderlich? Ich glaube nicht. Zwar zeigen sie, wie die geistreich und leicht schaffende Hand eines Malers die Gestalten des Dichters auffaßt und wiedergibt; sie bieten auch für die etwaige Ermüdung durch die Lektüre eine angenehme Unterbrechung; aber sie sind ein Zeichen mehr, wie die Kunst, herabgezerrt von dem Piedestale ihrer Selbständigkeit, zur Dienerin des Luxus entwürdigt wird. Und dann ist hier für den Künstler nicht bloß die Gelegenheit und Verführung, sondern sogar die Verpflichtung, seinen Gegenstand nur flüchtig zu berühren, ihn beileibe nicht zu erschöpfen. Die Holzschnitte in alten Büchern dienten anderen Zwecken und können mit diesen Illustrationen nicht verglichen werden.
    Die Illustrationen der vorliegenden Ausgabe sind, nach Zeichnungen von Tony Johannot, von den ersten Holzschneidern Englands und Frankreichs geschnitten. Sie sind, wie es schon Tony Johannots Name verbürgt, ebenso elegant als charakteristisch aufgefaßt und gezeichnet; trotz der Flüchtigkeit der Behandlung sieht man, wie der Künstler in den Geist des Dichters eingedrungen ist. Sehr geistreich und phantastisch sind die Initialen und Culs de lampe erfunden, und gewiß mit tiefsinnig poetischer Intention hat der Künstler zu den Verzierungen meistens moreske Dessins gewählt. Sehen wir ja doch die Erinnerung an die heitere Maurenzeit wie einen schönen fernen Hintergrund überall im »Don Quixote« hervorschwimmen. Tony Johannot, einer der vortrefflichsten und bedeutendsten Künstler in Paris, ist ein Deutscher von Geburt.
    Auffallend ist es, daß ein Buch, welches so reich an pittoreskem Stoff wie der »Don Quixote«, noch keinen Maler gefunden hat, der daraus Sujets zu einer Reihe selbständiger Kunstwerke entnommen hätte. Ist der Geist des Buches etwa zu leicht und phantastisch, als daß nicht unter der Hand des Künstlers der bunte Farbenstaub entflöhe? Ich glaube nicht. Denn der »Don Quixote«, so leicht und phantastisch er ist, fußt auf derber, irdischer Wirklichkeit, wie das ja sein mußte, um ihn zu einem Volksbuche zu machen. Ist es etwa, weil hinter den Gestalten, die uns der Dichter vorführt, tiefere Ideen liegen, die der bildende Künstler nicht wiedergeben kann, so daß er nur die äußere Erscheinung, wie saillant sie auch vielleicht sei, nicht aber den tieferen Sinn festhalten und reproduzieren könnte? Das ist wahrscheinlich der Grund. – Versucht haben sich

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