Sämtliche Werke
endlich im Schreiben soweit gebracht hatte, da ward mir das Schreiben selber verboten. Ihr kennt den Bundestagsbeschluß vom Dezember 1835, wodurch meine ganze Schriftstellerei mit dem Interdikte belegt ward. Ich weinte wie ein Kind! Ich hatte mir soviel Mühe gegeben mit der deutschen Sprache, mit dem Akkusativ und Dativ, ich wußte die Worte so schön aneinanderzureihen, wie Perl’ an Perl’, ich fand schon Vergnügen an dieser Beschäftigung, sie verkürzte mir die langen Winterabende des Exils, ja, wenn ich deutsch schrieb, so konnte ich mir einbilden, ich sei in der Heimat, bei der Mutter… Und nun ward mir das Schreiben verboten! Ich war sehr weich gestimmt, als ich an den Bundestag jene Bittschrift schrieb, die ihr ebenfalls kennt und die von manchem unter euch als gar zu untertänig getadelt worden. Meine Konsulenten, deren Responsa ich bei diesem Ereignisse einholte, waren alle der Meinung, ich müsse ein groß Spektakel erheben, große Memoiren anfertigen, darin beweisen, »daß hier ein Eingriff in Eigentumsrechte stattfände, daß man mir nur durch richterlichen Urteilsspruch die Ausbeutung meiner Besitztümer, meiner schriftstellerischen Fähigkeiten, untersagen könne, daß der Bundestag kein Gerichtshof und zu richterlichen Erkenntnissen nicht befugt sei, daß ich protestieren, künftigen Schadenersatz verlangen, kurz, Spektakel machen müsse«. Zu dergleichen fühlte ich mich aber keineswegs aufgelegt, ich hege die größte Abneigung gegen alle deklamatorische Rechthaberei, und ich kannte zu gut den Grund der Dinge, um durch die Dinge selbst aufgebracht zu sein. Ich wußte im Herzen, daß es durchaus nicht darauf abgesehen war, durch jenes Interdikt mich persönlich zu kränken; ich wußte, daß der Bundestag, nur die Beruhigung Deutschlands beabsichtigend, aus bester Vorsorge für das Gesamtwohl, gegen den einzelnen mit Härte verfuhr; ich wußte, daß es der schnödesten Angeberei gelungen war, einige Mitglieder der erlauchten Versammlung, handlende Staatsmänner, die sich mit der Lektüre meiner neueren Schriften gewiß wenig beschäftigen konnten, über den Inhalt derselben irrezuleiten und ihnen glauben zu machen, ich sei das Haupt einer Schule, welche sich zum Sturze aller bürgerlichen und moralischen Institutionen verschworen habe… Und in diesem Bewußtsein schrieb ich nicht eine Protestation, sondern eine Bittschrift an den Bundestag, worin ich, weit entfernt, seine oberrichtlichen Befugnisse in Abrede zu stellen, den betrübsamen Beschluß als ein Kontumazialurteil betrachtete und, auf alten Präzedenzien fußend, demütigst bat, mich gegen die im Beschlusse angeführten Beschuldigungen vor den Schranken der erlauchten Versammlung verteidigen zu dürfen. Von der Gefährdung meiner pekuniären Interessen tat ich keine Erwähnung. Eine gewisse Scham hielt mich davon ab. Nichtsdestoweniger haben viele edle Menschen in Deutschland, wie ich aus manchen errötenden Stellen ihrer Trostbriefe ersah, aufs tiefste gefühlt, was ich verschwieg. Und in der Tat, wenn es schon hinlänglich betrübsam ist, daß ich, ein Dichter Deutschlands, fern vom Vaterlande, im Exile leben muß, so wird es gewiß jeden fühlenden Menschen doppelt schmerzen, daß ich jetzt noch obendrein meines literarischen Vermögens beraubt werde, meines geringen Poetenvermögens, das mich in der Fremde wenigstens gegen physisches Elend schützen konnte.
Ich sage dieses mit Kummer, aber nicht mit Unmut. Denn wen sollte ich anklagen? Nicht die Fürsten; denn, ein Anhänger des monarchischen Prinzips, ein Bekenner der Heiligkeit des Königtums, wie ich mich seit der Juliusrevolution, trotz dem bedenklichsten Gebrülle meiner Umgebung, gezeigt habe, möchte ich wahrlich nicht mit meinen besonderen Beklagnissen dem verwerflichen Jakobinismus einigen Vorschub leisten. Auch nicht die Räte der Fürsten kann ich anklagen; denn, wie ich aus den sichersten Quellen erfahren, haben viele der höchsten Staatsmänner den exzeptionellen Zustand, worin man mich versetzt, mit würdiger Teilnahme bedauert und baldigste Abhülfe versprochen; ja, ich weiß es, nur wegen der Langsamkeit des Geschäftgangs ist die Abhülfe noch nicht gesetzlich an den Tag getreten, und vielleicht, während ich diese Zeilen schreibe, wird dergleichen in Deutschland zu meinen Gunsten promulgiert. Selbst entschiedenste Gegner unter den deutschen Staatsmännern haben mir wissen lassen, daß die Strenge des erwähnten Bundestagsbeschlusses nicht den ganzen
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