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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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weine nicht, es mußte sein –
    Ich scheide, und du welkst allein;
    Du welkst, bevor du noch geblüht,
    Erlöschest, eh’ du noch geglüht;
    Du stirbst, dich hat der Tod erfaßt,
    Bevor du noch gelebet hast.
    Ich weiß es jetzt. Bei Gott! du bist es,
    Die ich geliebt. Wie bitter ist es,
    Wenn im Momente des Erkennens
    Die Stunde schlägt des ew’gen Trennens!
    Der Willkomm ist zu gleicher Zeit
    Ein Lebewohl! Wir scheiden heut
    Auf immerdar. Kein Wiedersehn
    Gibt es für uns in Himmelshöhn.
    Die Schönheit ist dem Staub verfallen,
    Du wirst zerstieben, wirst verhallen.
    Viel anders ist es mit Poeten;
    Die kann der Tod nicht gänzlich töten.
    Uns trifft nicht weltliche Vernichtung,
    Wir leben fort im Land der Dichtung,
    In Avalun, dem Feenreiche –
    Leb wohl auf ewig, schöne Leiche!
    12
Der Philanthrop
    Das waren zwei liebe Geschwister,
    Die Schwester war arm, der Bruder war reich.
    Zum Reichen sprach die Arme:
    »Gib mir ein Stückchen Brot.«
    Zur Armen sprach der Reiche:
    »Laß mich nur heut in Ruh’.
    Heut geb ich mein jährliches Gastmahl
    Den Herren vom großen Rat.
    Der eine liebt Schildkrötensuppe,
    Der andre Ananas,
    Der dritte ißt gern Fasanen
    Mit Trüffeln von Périgord.
    Der vierte speist nur Seefisch,
    Der fünfte verzehrt auch Lachs,
    Der sechste, der frißt alles,
    Und trinkt noch mehr dazu.«
    Die arme, arme Schwester
    Ging hungrig wieder nach Haus;
    Sie warf sich auf den Strohsack
    Und seufzte tief und starb.
    Wir müssen alle sterben!
    Des Todes Sense trifft
    Am End’ den reichen Bruder,
    Wie er die Schwester traf.
    Und als der reiche Bruder
    Sein Stündlein kommen sah,
    Da schickt’ er zum Notare
    Und macht’ sein Testament.
    Beträchtliche Legate
    Bekam die Geistlichkeit,
    Die Schulanstalten, das große
    Museum für Zoologie.
    Mit edlen Summen bedachte
    Der große Testator zumal
    Die Judenbekehrungsgesellschaft
    Und das Taubstummeninstitut.
    Er schenkte eine Glocke
    Dem neuen Sankt-Stephans-Turm;
    Die wiegt fünfhundert Zentner
    Und ist vom besten Metall.
    Das ist eine große Glocke
    Und läutet spat und früh;
    Sie läutet zum Lob und Ruhme
    Des unvergeßlichen Manns.
    Sie meldet mit eherner Zunge,
    Wieviel er Gutes getan
    Der Stadt und seinen Mitbürgern
    Von jeglicher Konfession.
    Du großer Wohltäter der Menschheit!
    Wie im Leben, soll auch im Tod
    Jedwede deiner Wohltaten
    Verkünden die große Glock’!
    Das Leichenbegängnis wurde
    Gefeiert mit Prunk und Pracht;
    Es strömte herbei die Menge
    Und staunte ehrfurchtsvoll.
    Auf einem schwarzen Wagen,
    Der gleich einem Baldachin
    Mit schwarzen Straußfederbüscheln
    Gezieret, ruhte der Sarg.
    Der strotzte von Silberblechen
    Und Silberstickerei’n;
    Es machte auf schwarzem Grunde
    Das Silber den schönsten Effekt.
    Den Wagen zogen sechs Rosse,
    In schwarzen Decken vermummt;
    Die fielen gleich Trauermänteln
    Bis zu den Hufen hinab.
    Dicht hinter dem Sarge gingen
    Bediente in schwarzer Livree,
    Schneeweiße Schnupftücher haltend
    Vor dem kummerroten Gesicht.
    Sämtliche Honoratioren
    Der Stadt, ein langer Zug
    Von schwarzen Paradekutschen,
    Wackelte hintennach.
    In diesem Leichenzuge,
    Versteht sich, befanden sich auch
    Die Herren vom hohen Rate,
    Doch waren sie nicht komplett.
    Es fehlte jener, der gerne
    Fasanen mit Trüffeln aß;
    War kurz vorher gestorben
    An einer Indigestion.
13
Die Launen der Verliebten
    Eine wahre Geschichte, nach älteren Dokumenten wiedererzählt und aufs neue in schöne deutsche Reime gebracht
    Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
    Er hat sich in eine Fliege verliebt.
    »Du bist, o Fliege meiner Seele,
    Die Gattin, die ich auserwähle.
    Heirate mich und sei mir hold!
    Ich hab einen Bauch von eitel Gold.
    Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
    Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.«
    »O daß ich eine Närrin wär!
    Ein’n Käfer nehm ich nimmermehr.
    Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
    Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.
    Nach Idealen schwärmt mein Sinn,
    Weil ich eine stolze Fliege bin.« –
    Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
    Die Fliege ging, ein Bad zu nehmen.
    »Wo ist denn meine Magd, die Biene,
    Daß sie beim Waschen mich bediene;
    Daß sie mir streichle die feine Haut,
    Denn ich bin eines Käfers Braut.
    Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
    Viel schöneren Käfer gab es nie.
    Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
    Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.
    Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
    Vor Neid wird bersten gar manche Schmeißfliege.
    Spute

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