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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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ihn.
    Demokratie und Königtum stehen sich nicht feindlich gegenüber, wie man fälschlich in unsern Tagen behauptet hat. Die beste Demokratie wird immer diejenige sein, wo ein einziger als Inkarnation des Volkswillens an der Spitze des Staates steht, wie Gott an der Spitze der Weltregierung; unter jenem, dem inkarnierten Volkswillen, wie unter der Majestät Gottes, blüht die sicherste Menschengleichheit, die echteste Demokratie. Aristokratismus und Republikanismus stehen einander ebenfalls nicht feindlich gegenüber, und das sehen wir am klarsten im vorliegenden Drama, wo sich eben in den hochmütigsten Aristokraten der Geist des Republikanismus mit seinen schärfsten Charakterzügen ausspricht. Bei Cassius noch weit mehr als bei Brutus treten uns diese Charakterzüge entgegen. Wir haben nämlich schon längst die Bemerkung gemacht, daß der Geist des Republikanismus in einer gewissen engbrüstigen Eifersucht besteht, die nichts über sich dulden will; in einem gewissen Zwergneid, der allem Emporragenden abhold ist, der nicht einmal die Tugend durch einen Menschen repräsentiert sehen möchte, fürchtend, daß solcher Tugendrepräsentant seine höhere Persönlichkeit geltend machen könne. Die Republikaner sind daher heutzutage bescheidenheitsüchtige Deisten und sähen gern in den Menschen nur kümmerliche Lehmfiguren, die, gleichgeknetet aus den Händen eines Schöpfers hervorgegangen, sich aller hochmütigen Auszeichnungslust und ehrgeizigen Prunksucht enthalten sollten. Die englischen Republikaner huldigten einst einem ähnlichen Prinzipe, dem Puritanismus, und dasselbe gilt von den altrömischen Republikanern: sie waren nämlich Stoiker. Wenn man dieses bedenkt, muß man erstaunen, mit welchem Scharfsinn Shakespeare den Cassius geschildert hat, namentlich in seinem Gespräche mit Brutus, wenn er hört, wie das Volk den Cäsar, den es zum König erheben möchte, mit Jubelgeschrei begrüßt:
    Ich weiß es nicht, wie Ihr und andre Menschen
    Von diesem Leben denkt; mir, für mich selbst,
    Wär es so lieb, nicht da sein, als zu leben
    In Furcht vor einem Wesen wie ich selbst.
    Ich kam wie Cäsar frei zur Welt, so Ihr;
    Wir nährten uns so gut, wir können beide
    So gut wie er des Winters Frost ertragen.
    Denn einst, an einem rauhen, stürm’schen Tage,
    Als wild die Tiber an ihr Ufer tobte,
    Sprach Cäsar zu mir: »Wagst du, Cassius, nun
    Mit mir zu springen in die zorn’ge Flut
    Und bis dorthin zu schwimmen?« – Auf dies Wort,
    Bekleidet, wie ich war, stürzt ich hinein
    Und hieß ihn folgen; wirklich tat er’s auch.
    Der Strom brüllt’ auf uns ein, wir schlugen ihn
    Mit wackern Sehnen, warfen ihn beiseit’,
    Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotzes;
    Doch eh’ wir das erwählte Ziel erreicht,
    Rief Cäsar: »Hilf mir, Cassius! Ich sinke.«
    Ich, wie Äneas, unser großer Ahn,
    Aus Trojas Flammen einst auf seinen Schultern
    Den alten Vater trug, so aus den Wellen
    Zog ich den müden Cäsar. – Und
der
Mann
    Ist nun zum Gott erhöht, und Cassius ist
    Ein arm Geschöpf, und muß den Rücken beugen,
    Nickt Cäsar nur nachlässig gegen ihn.
    Als er in Spanien war, hatt er ein Fieber,
    Und wenn der Schau’r ihn ankam, merkt ich wohl
    Sein Beben: ja, er bebte, dieser Gott!
    Das feige Blut der Lippen nahm die Flucht,
    Sein Auge, dessen Blick die Welt bedräut,
    Verlor den Glanz, und ächzen hört ich ihn.
    Ja, dieser Mund, der horchen hieß die Römer
    Und in ihr Buch einzeichnen seine Reden,
    Ach, rief: »Titinius! gib mir zu trinken!«
    Wie’n krankes Mädchen. Götter! ich erstaune,
    Wie nur ein Mann so schwächlicher Natur
    Der stolzen Welt den Vorsprung abgewann
    Und nahm die Palm’ allein.
    Cäsar selber kennt seinen Mann sehr gut, und in einem Gespräche mit Antonius entfallen ihm die tiefsinnigen Worte:
    Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,
    Mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen:
    Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;
    Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich.
    …
    Wär er nur fetter! – Zwar ich fürcht ihn nicht;
    Doch wäre Furcht nicht meinem Namen fremd,
    Ich kenne niemand, den ich eher miede
    Als diesen hagern Cassius. Er liest viel;
    Er ist ein großer Prüfer und durchschaut
    Das Tun der Menschen ganz; er liebt kein Spiel,
    Wie du, Antonius; hört nicht Musik;
    Er lächelt selten, und auf solche Weise,
    Als spott’ er sein, verachte seinen Geist,
    Den irgend was zum Lächeln bringen konnte.
    Und solche Männer haben nimmer Ruh’,
    Solang’ sie jemand größer sehn

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