Sämtliche Werke
Fell, trotz meiner Unwürdigkeit war ich doch begnadigt worden, das Allerheiligste zu erschauen, ich befand mich in der seligen Nähe des geheimnisvollen Urwesens, des reinen Geistes, welcher mit seinem Willen die Körperwelt regiert, mit seinem Wort sie schafft, mit dem Worte sie belebt, mit dem Worte sie vernichtet; denn die Helden auf der Bühne, die ich noch kurz vorher so stark bewundert, ich sah, daß sie nur dann mit Sicherheit redeten, wenn sie sein Wort ganz gläubig nachsprachen, daß sie hingegen ängstlich stammelten und stotterten, wenn sie sich stolz von ihm entfernt und seine Stimme nicht vernommen hatten: alles, sah ich, war nur abhängige Kreatur von ihm, er war der Alleinselbständige in seinem allerheiligsten Kasten. An jeder Seite seines Kastens erglühten die geheimnisvollen Lampen, erklangen die Violinen und tönten die Flöten, um ihn her war Licht und Musik, er schwamm in harmonischen Strahlen und strahlenden Harmonien…«
Doch diese Rede ward am Ende so näselnd und weinerlich wispernd, daß ich wenig mehr davon verstehen konnte, nur mitunter hörte ich die Worte: »Hüte mich vor Katzen und Mausefallen – gib mir mein täglich Brosämchen – ich liebe euch – in Ewigkeit, Amen.« –
Durch Mitteilung dieses Traums möchte ich meine Ansicht über die verschiedenen philosophischen Standpunkte, von wo aus man die Weltgeschichte zu beurteilen pflegt, meine Gedanken verraten, zugleich andeutend, warum ich diese leichten Blätter mit keiner eigentlichen Philosophie der englischen Geschichte befrachte.
Ich will ja überhaupt die dramatischen Gedichte, worin Shakespeare die großen Begebenheiten der englischen Historie verherrlicht hat, nicht dogmatisch erläutern, sondern nur die Bildnisse der Frauen, die aus jenen Dichtungen hervorblühen, mit einigen Wortarabesken verzieren. Da in diesen englischen Geschichtsdramen die Frauen nichts weniger als die Hauptrolle spielen und der Dichter sie nie auftreten läßt, um, wie in andern Stücken, weibliche Gestalten und Charaktere zu schildern, sondern vielmehr, weil die darzustellende Historie ihre Einmischung erforderte, so werde ich auch desto kärglicher von ihnen reden.
Constanze beginnt den Reihen, und zwar mit schmerzlichen Gebärden. Wie die Mater dolorosa trägt sie ihr Kind auf dem Arme… Das arme Kind, durch welches alles gebüßt wird, was die Seinigen verschuldet.
Auf der Berliner Bühne sah ich einst diese trauernde Königin ganz vortrefflich dargestellt von der ehemaligen Madame Stich. Minder brillant war die gute Maria Luise, welche zur Zeit der Invasion auf dem französischen Hoftheater die Königin Constanze spielte. Indessen kläglich über alle Maßen zeigte sich in dieser Rolle eine gewisse Madame Caroline, welche sich vor einigen Jahren in der Provinz, besonders in der Vendée, herumtrieb; es fehlte ihr nicht an Talent und Passion, aber sie hatte einen zu dicken Bauch, was einer Schauspielerin immer schadet, wenn sie heroische Königswitwen tragieren soll. –
Lady Percy
(Heinrich IV.)
Ich träumte mir ihr Gesicht und überhaupt ihre Gestalt minder vollfleischig, als sie hier konterfeit ist. Vielleicht aber kontrastieren die scharfen Züge und die schlanke Taille, die man in ihren Worten wahrnimmt und welche ihre geistige Physiognomie offenbaren, desto interessanter mit ihrer wohlgeründeten äußern Bildung. Sie ist heiter, herzlich und gesund an Leib und Seele. Prinz Heinrich möchte uns gern diese liebliche Gestalt verleiden und parodiert sie und ihren Percy:
Ich bin noch nicht in Percys Stimmung, dem Heißsporn des Nordens, der euch sechs bis sieben Dutzend Schotten zum Frühstück umbringt, sich die Hände wäscht und zu seiner Frau sagt: »Pfui, über dies stille Leben! Ich muß zu tun haben.« – »O mein Herzens-Heinrich«, sagt sie, »wie viele hast du heute umgebracht?« – »Gebt meinem Schecken zu saufen«, und eine Stunde drauf antwortet er: »Ein Stücker vierzehn; Bagatell! Bagatell!«
Wie kurz, so entzückend ist die Szene, wo wir den wirklichen Haushalt des Percy und seiner Frau sehen, wo diese den brausenden Helden mit den kecksten Liebesworten zügelt:
Komm, komm, du Papagei! Antworte mir
Geradezu auf das, was ich dich frage.
Ich breche dir den kleinen Finger, Heinrich,
Willst du mir nicht die ganze Wahrheit sagen.
PERCY.
Fort! Fort!
Du Tändlerin! – Lieben? – Ich lieb dich nicht,
Ich frage nicht nach dir. Ist dies ’ne Welt
Zum Puppenspielen und mit Lippen fechten?
Nein, jetzo muß es
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