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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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dicke.«
    »Hat Menzel«, frug weiter der König, »seitdem
    Noch viel Maulschellen erhalten?«
    »Ich danke der Nachfrag’«, erwidert der Schwab’,
    »Er hat noch genug an den alten.«
    Der König sprach: »Du bist nicht so dumm,
    Als wie du aussiehst, mein Holder.«
    »Das kommt«, erwidert der Schwab’, »weil mich
    In der Wiege vertauscht die Kobolder.«
    Der König sprach: »Es pflegt der Schwab’
    Sein Vaterland zu lieben –
    Nun sage mir, was hat dich fort
    Aus deiner Heimat getrieben?«
    Der Schwabe antwortet: »Tagtäglich gab’s
    Nur Sauerkraut und Rüben;
    Hätt meine Mutter Fleisch gekocht,
    So wär ich dort geblieben.«
    »Erbitte dir eine Gnade«, sprach
    Der König. Da kniete nieder
    Der Schwabe und rief: »O geben Sie, Sire,
    Dem Volke die Freiheit wieder!
    Der Mensch ist frei, es hat die Natur
    Ihn nicht geboren zum Knechte –
    O geben Sie, Sire, dem deutschen Volk
    Zurück seine Menschenrechte!«
    Der König stand erschüttert tief –
    Es war eine schöne Szene; –
    Mit seinem Rockärmel wischte sich
    Der Schwab’ aus dem Auge die Träne.
    Der König sprach endlich: »Ein schöner Traum! –
    Leb wohl, und werde gescheiter;
    Und da du ein Somnambülericht,
    So geb ich dir zwei Begleiter,
    Zwei sichre Gendarmen, die sollen dich
    Bis an die Grenze führen –
    Leb wohl! Ich muß zur Parade gehn,
    Schon hör ich die Trommel rühren.«
    So hat die rührende Audienz
    Ein rührendes Ende genommen.
    Doch ließ der König seitdem nicht mehr
    Die Kindlein zu sich kommen.
    22
Kobes I.
    Im Jahre achtundvierzig hielt,
    Zur Zeit der großen Erhitzung,
    Das Parlament des deutschen Volks
    Zu Frankfurt seine Sitzung.
    Damals ließ auch auf dem Römer dort
    Sich sehen die weiße Dame,
    Das unheilkündende Gespenst;
    Die Schaffnerin ist sein Name.
    Man sagt, sie lasse sich jedesmal
    Des Nachts auf dem Römer sehen,
    Sooft einen großen Narrenstreich
    Die lieben Deutschen begehen.
    Dort sah ich sie selbst um jene Zeit
    Durchwandeln die nächtliche Stille
    Der öden Gemächer, wo aufgehäuft
    Des Mittelalters Gerülle.
    Die Lampe und ein Schlüsselbund
    Hielt sie in den bleichen Händen;
    Sie schloß die großen Truhen auf
    Und die Schränke an den Wänden.
    Da liegen die Kaiserinsignia,
    Da liegt die Goldne Bulle,
    Der Zepter, die Krone, der Apfel des Reichs
    Und manche ähnliche Schrulle.
    Da liegt das alte Kaiserornat,
    Verblichen purpurner Plunder,
    Die Garderobe des deutschen Reichs,
    Verrostet, vermodert jetzunder.
    Die Schaffnerin schüttelt wehmütig das Haupt
    Bei diesem Anblick, doch plötzlich
    Mit Widerwillen ruft sie aus:
    »Das alles stinkt entsetzlich!
    Das alles stinkt nach Mäusedreck,
    Das ist verfault und verschimmelt,
    Und in dem stolzen Lumpenkram
    Das Ungeziefer wimmelt.
    Wahrhaftig, auf diesem Hermelin,
    Dem Krönungsmantel, dem alten,
    Haben die Katzen des Römerquartiers
    Ihr Wochenbett gehalten.
    Da hilft kein Ausklopfen! Daß Gott sich erbarm’
    Des künftigen Kaisers! Mit Flöhen
    Wird ihn der Krönungsmantel gewiß
    Auf Lebenszeit versehen.
    Und wisset, wenn es den Kaiser juckt,
    So müssen die Völker sich kratzen –
    O Deutsche! Ich fürchte, die fürstlichen Flöh’,
    Die kosten euch manchen Batzen.
    Jedoch wozu noch Kaiser und Flöh’?
    Verrostet ist und vermodert
    Das alte Kostüm – Die neue Zeit
    Auch neue Röcke fodert.
    Mit Recht sprach auch der deutsche Poet
    Zum Rotbart im Kyffhäuser:
    ›Betracht ich die Sache ganz genau,
    So brauchen wir gar keinen Kaiser!‹
    Doch wollt ihr durchaus ein Kaisertum,
    Wollt ihr einen Kaiser küren,
    Ihr lieben Deutschen! laßt euch nicht
    Von Geist und Ruhm verführen.
    Erwählet kein Patrizierkind,
    Erwählet einen vom Plebse,
    Erwählt nicht den Fuchs und nicht den Leu,
    Erwählt den dümmsten der Schöpse.
    Erwählt den Sohn Colonias,
    Den dummen Kobes von Köllen;
    Der ist in der Dummheit fast ein Genie,
    Er wird sein Volk nicht prellen.
    Ein Klotz ist immer der beste Monarch,
    Das zeigt Äsop in der Fabel;
    Er frißt uns armen Frösche nicht,
    Wie der Storch mit dem langen Schnabel.
    Seid sicher, der Kobes wird kein Tyrann,
    Kein Nero, kein Holofernes;
    Er hat kein grausam antikes Herz,
    Er hat ein weiches, modernes.
    Der Krämerstolz verschmähte dies Herz,
    Doch an die Brust des Heloten
    Der Werkstatt warf der Gekränkte sich
    Und ward die Blume der Knoten.
    Die Brüder der Handwerksburschenschaft
    Erwählten zum Sprecher den Kobes;
    Er teilte mit ihnen ihr letztes Stück Brot,
    Sie waren voll seines Lobes.
    Sie rühmten,

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