Sämtliche Werke
sehen sei, weil Donnerstag wäre und er sich donnerstags wasche. Als ich die Treppe hinunterstieg, sah ich unten ein Schild mit der Aufschrift: »Bitte sich an den Pförtner zu wenden«, und ich beeilte mich, an diesen braven Mann einige verbindliche Worte zu richten; ich beglückwünschte ihn zu der Sauberkeit seines berühmten Mieters, der sich jeden Donnerstag wäscht. »Sehen Sie«, sagte ich zu ihm, »die Sauberkeit ist bei den Gelehrten eine sehr seltene Sache, und jener berühmte Casaubonus zum Beispiel wusch sich nur einmal im Jahr, zur Fastnacht, vielleicht um sich zu verkleiden.« Der Pförtner machte eine tiefe Verbeugung und antwortete mit klagender Stimme: »Sie sind sehr ehrenwert, mein Herr, ich muß Sie enttäuschen. Die berühmte Persönlichkeit, die zu meinen Mietern zu zählen ich die Ehre habe, hat keinen allzu großen Verbrauch an Seinewasser, sie bereichert die Auvergnaten nicht und ist bezüglich der Sauberkeit ein wenig Casaubonus.« Bei diesen Worten begann er zu lachen, und ich ging fort und lachte gleichfalls, ohne zu wissen warum. Um mir französische Allüren zu geben, wiegte ich mich in den Hüften und summte die Melodie: »Wohin gehen Sie, Herr Abbé? Sie werden sich die Nase brechen«, als ich auf meinem Wege ein großes Gebäude auftauchen sah, das das Pantheon sein sollte, wie man mir sagte. Auch dort war eine Inschrift zu lesen, aber in Marmor, und anstelle eines »Bitte sich an den Pförtner zu wenden« las man: »Den großen Männern das dankbare Vaterland.« Als ich eintrat, sah ich nur ein riesiges Gebäude, das mit Leere angefüllt war, eine Art von steinernem Ballon, in dessen Mitte ganz allein ein langer und trockener Engländer umherspazierte, der seinen »Führer durch Paris« im Munde hatte und die Daumen seiner Hände in die Ärmelausschnitte seiner Weste eingehängt hatte. Ich näherte mich, ihm sehr höflich und sagte: »A very fine exhibition!«, ich fügte sogar hinzu: »Very fine indeed!«; denn ich hoffte, daß er seinen Reiseführer aus dem Munde fallen lassen würde, wenn er mir antwortete, wie der Rabe in der Fabel den Käse aus seinem Schnabel fallen ließ. Doch der Reiseführer, dessen ich mich bemächtigen wollte, um darin einige Auskünfte zu suchen, fiel nicht; die Zähne des englischen Raben blieben zusammengepreßt, und ohne mir die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, ging er hinaus. Ich tat das gleiche und folgte ihm auf dem Fuße bis zur Säulenhalle. Dort, vor dem Peristyl, bemerkte ich das pausbäckige Gesicht einer dicken Gevatterin, einer großbusigen Frau, wie man damals die Göttin der Freiheit darstellte. Das war wahrscheinlich die Türsteherin des Pantheons. Der Anblick von Albions Sohn schien sie in sehr gute Laune versetzt zu haben. Indem sie mir mit ihren kleinen Augen, die in ihrem dicken Gesicht wie Glühwürmchen schimmerten, ein Zeichen des Einverständnisses zublinkerte, machte sie sich über den armen Engländer lustig, und ich hörte zum erstenmal jenes derbe gallische Lachen, das man bei uns nicht kennt und das zugleich sehr gutmütig und sehr spöttisch ist, wie der edle französische Wein oder ein Kapitel von Rabelais. Nichts ist ansteckender als eine solche Heiterkeit, und ich selbst begann herzlich zu lachen, wie ich niemals in meiner Heimat gelacht hatte. Um mit dieser munteren und amüsanten Person ein Gespräch anzuknüpfen, kam mir der Gedanke, sie zu fragen, wo die großen Männer wären, von denen die Inschrift dieses Hauses der nationalen Dankbarkeit sprach. Bei dieser Frage brach die gute Lacherin in ein noch betäubenderes Lachen aus, die Tränen traten ihr in die Augen, sie mußte sich den Bauch halten, um nicht zu ersticken, und während sie bei jedem Wort nach Luft schnappte, erwiderte sie: »Ah! Sie kommen in einem schlechten Augenblick. Zur Zeit sind die großen Männer bei uns sehr rar: die letzte Ernte hat nichts eingebracht; wir hoffen aber, daß die nächste weit besser sein wird; unsere künftigen großen Männer wachsen gewaltig heran und verheißen viel. Wenn Sie diese großen Männer der Zukunft, die augenblicklich noch unendlich klein sind, sehen wollen, dann brauchen Sie sich nur in ein Etablissement zu begeben, das hier ganz in der Nähe liegt, auf dem Boulevard Montparnasse, und das man die Grande Chaumière nennt. Dort ist die tanzende Pflanzstätte jener kleinen großen Männer, jener Knirpse des Ruhms, die eines Tages der Stolz Frankreichs und die Freude des Menschengeschlechts sein werden; Sie kommen
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