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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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müd’ und matt,
    Hab mir zurückgeholt mein weißes Reh,
    Just als des Jägers Hand es schlachten wollte.
    Er setzt sich auf des Felsens Spitze und hält Zuleima auf dem Schoße.
    Ich bin der arme Mödschnun, und ich sitze
    Auf meinem Felsen, spiel mit meinem Reh;
    Denn in ein Reh verwandelte sich Leila,
    Und sah mich an mit freundlich klaren Augen.
    Jetzt sind die Äuglein zu, mein Rehlein schläft.
    Still! still! Du Zeisig, zwitschre nicht so schmetternd.
    Du Käfer, summe leiser. Liebes Lüftlein,
    Durchraschle nicht so laut die Blätter – Stille!
    Ein Wiegenlied will ich dir singen. Stille!
    Er wiegt Zuleima im Schoße und singt.
    Die Sonne wirft ihr Nachtkleid um,
    Gar rosenrot und schön;
    Die Vöglein werden still und stumm,
    Sie woll’n zu Bette gehn.
    Schlafe, mein Rehlein, auch du!
    Mein Rehlein schläft, recht hübsch; doch gar zu lang.
    Die schmachtend süßen, liebeklaren Äuglein
    Sind zugeschlossen jetzt, fest zugeschlossen –
    Und bleiben zu? Ist denn mein Rehlein tot?
    In Tränen ausbrechend.
    Tot! Tot! mein weiches, weißes Rehlein tot!
    Die süßen Sternlein ausgelöscht und tot!
    Mein totes Rehlein! sanft will ich dich betten
    Auf Rosen, Lilien, Veilchen, Hyazinthen.
    Aus goldnem Mondschein web ich eine Decke
    Und deck dich zu. Ein Trauerlied soll dir
    Rotkehlchen singen, und es sollen zwölf
    Goldkäfer ernsthaft Schildwacht stehn des Tags
    An deinem kleinen Blumenbettchen, zwölf
    Glühwürmchen sollen flimmernd dort des Nachts,
    Wie stille Totenkerzen, leuchten; aber
    Ich selber will dort weinen Tag und Nacht.
    Zuleima erwacht aus ihrer Ohnmacht.
    Was seh ich? Heimlich leise regen sich
    Die zarten Glieder, und der seidne Vorhang
    Der süßen Augen rollt sich langsam auf!
    Das ist kein Rehlein, das ist Leila nicht,
    Das ist Zuleima, Alys schöne Tochter –
    Zuleima öffnet die Augen.
    Der Himmel schließt sich auf, das Himmelreich!
    ZULEIMA.
    Bin ich im Himmel schon?
    ALMANSOR.
    Aus starrem Tod
    Bist du erwacht.
    ZULEIMA.
    Ich weiß es wohl, daß ich
    Gestorben bin, und jetzt im Himmel bin.
    Sieht sich überall um.
    Wie schön ist’s hier, wie leicht und rein die Luft,
    Und alles trägt ein rosenfarbig Kleid.
    ALMANSOR.
    Ja, ja, wir sind im Himmel, süßes Lieb,
    Siehst du die Blumen, die dort unten spielen,
    Die Schmetterlinge, die dazwischen flattern,
    Und, neckend, bunten Diamantenstaub
    Den armen Blümlein in die Augen werfen?
    Hörst du dort unten, wie das Bächlein rauscht,
    Wie bläuliche Libellen es umsummen,
    Und grüngelockte Wassermädchen plätschernd
    In rötlich goldne Wellen untertauchen?
    Siehst du die weißen Nebelbilder wallen?
    Es ist der Sel’gen Schar, die, ewig jung,
    Im ew’gen Frühlingsgarten sich ergehn.
    ZULEIMA.
    Wenn das der Sel’gen Wohnung ist, Almansor,
    So sage mir, wie bist du hergekommen?
    Denn unser frommer Abt hat mir versichert:
    Daß nur, wer Christ ist, selig werden kann.
    ALMANSOR.
    O zweifle nicht an meiner Seligkeit!
    Ich halte dich, mein Lieb, in meinen Armen,
    Und selig, dreimal selig ist Almansor.
    ZULEIMA.
    So log der fromme Mann, er sagte auch,
    Den edeln Don Enrique müßt ich lieben.
    Ich hab’s getan, so gut es ging. Almansor
    Wollt ich vergessen. Oh, das ging nicht gut.
    Ich hab es auch geklagt der Muttergottes.
    Die hat gelächelt, freundlich, gnädig, huldreich,
    Und hat mich eingehüllt in ihren Schleier
    Und hergetragen in die lichte Höh’.
    Musik erklang auf meinem Weg; es bliesen
    Die Englein auf Waldhörnern und Schalmei’n,
    Und sangen süße Lieder; – süße Lust!
    Ich bin im Himmel, und das beste ist,
    Almansor ist bei mir, und in dem Himmel
    Bedarf es der Verstellungskünste nicht,
    Und frei darf ich gestehn: Ich liebe dich,
    Ich liebe dich, ich liebe dich, Almansor!
    Das scheidende Abendrot verklärt die beiden Gestalten.
    ALMANSOR.
    Ich wußte längst, du liebest mich noch immer,
    Mehr als dich selbst. Die Nachtigall hat mir’s
    Vertraut, die Rose hat’s mir zugehaucht,
    Ein Lüftlein hat es mir ins Ohr gefächelt,
    Und jede Nacht hab ich es klar gelesen
    Im blauen Buche mit den goldnen Lettern.
    ZULEIMA.
    Nein! nein! der fromme Mann hat nicht gelogen,
    Es ist so schön im schönen Himmelreich!
    Umschließe mich mit deinen lieben Armen,
    Und wiege mich auf deinem weichen Schoß,
    Und laß Jahrtausende mich Wonnetrunkne
    In diesem Himmel, in dem Himmel liegen!
    ALMANSOR.
    Wir sind im Himmel, und die Engel singen,
    Und rauschen drein mit ihren seidnen Flügeln –
    Hier wohnet Gott im Grübchenn dieser Wangen

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