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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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    Waffengeklirr in der Ferne. Almansor erschrickt.
    Dort unten aber wohnet Eblis, furchtbar
    Dringt seine Stimm’ hinauf, bis in den Himmel,
    Und streckt er nach mir aus die Eisenhand.
    ZULEIMA
erschrocken.
    Was schrickst du plötzlich auf? was zitterst du?
    ALMANSOR.
    Nenn’s Eblis, nenn es Satan, nenn es Menschen,
    Die tückisch arge Macht, die wild hinaufsteigt,
    In meinen Himmel selbst –
    ZULEIMA.
    So laß uns fliehn,
    Hinab ins Blumental, wo Blümlein spielen,
    Die Schmetterlinge flattern, Bächlein rauscht,
    Libellen summen, Nachtigallen trillern,
    Und stille, sel’ge Nebelbilder wallen –
    Trag mich hinab, ich bleib an deiner Brust.
    Sie schmiegt sich an ihn.
    ALMANSOR
springt auf und hält Zuleima im Arm.
    Hinab! hinab! die Blumen winken ängstlich,
    Die Nachtigall ruft mich mit bangem Ton,
    Der Sel’gen Schatten strecken nach mir aus
    Die Nebelarme, riesig lang, ziehn mich
    Hinab, hinab –
    Fliehende Mauren eilen vorüber. –
    Die Jäger nahen schon,
    Mein Reh zu schlachten! dorten klirrt der Tod,
    Hier unten blüht entgegen mir das Leben,
    Und meinen Himmel halt ich in den Armen.
    Er stürzt sich mit Zuleima den Felsen hinab. Spanische Ritter, die den Mauren nacheilen, sehen beide herabstürzen und treten entsetzt zurück. Man hört Alys Stimme:
    Sucht ihn, sucht ihn, er muß uns nahe sein!
    Aly tritt auf.
    MEHRERE RITTER.
    Entsetzlich!
    ALY.
    Habt ihr ihn und sie gefunden?
    EIN RITTER
hinter den Felsen zeigend.
    Gefunden wohl, der Wütende hat sich
    Herabgestürzt mit seiner teuern Last.
    Pause.
    ALY.
    Jetzt, Jesu Christ, bedarf ich deines Wortes,
    Und deines Gnadentrosts, und deines Beispiels.
    Der Allmacht Willen kann ich nicht begreifen,
    Doch Ahnung sagt mir: ausgereutet wird
    Die Lilie und die Myrte auf dem Weg,
    Worüber Gottes goldner Siegeswagen
    Hinrollen soll in stolzer Majestät.

William Ratcliff
    Tragödie
    1823
    ~
    Vorrede
    Personen
    Zimmer in Mac-Gregors Schloß
    Diebesherberge
    Wilde Gegend am Schwarzenstein. Nacht
    Mac-Gregors Schloß
    ~
Vorrede
    Das Wintermärchen, welches »Deutschland« betitelt und in den frühern Ausgaben dieses Bandes enthalten, habe ich der gegenwärtigen Ausgabe entzogen, sintemalen dasselbe seitdem vielfach im Einzeldruck erschienen ist und ich ihm überdies in der Sammlung meiner poetischen Werke eine andere Stelle zugedacht. Die entstandene Lücke benutze ich, um hier die kleine Tragödie »William Ratcliff« mitzuteilen, die vor etwa neunundzwanzig Jahren unter dem Titel: »Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo« zu Berlin bei Dümmler herauskam. Das »Lyrische Intermezzo« wurde seitdem in einer größern Sammlung meiner Gedichte aufgenommen und gelangte zur außerordentlichsten Popularität. Der »William Ratcliff« wurde jedoch nur wenig bekannt; in der Tat, der Name seines Verlegers war Dümmler. Dieser Tragödie oder dramatisierten Ballade gewähre ich mit gutem Fug jetzt einen Platz in der Sammlung meiner Gedichte, weil sie als eine bedeutsame Urkunde zu den Prozeßakten meines Dichterlebens gehört. Sie resümiert nämlich meine poetische Sturm-und-Drang-Periode, die sich in den »Jungen Leiden« des »Buchs der Lieder« sehr unvollständig und dunkel kundgibt. Der junge Autor, der hier mit schwerer, unbeholfener Zunge nur träumerische Naturlaute lallt, spricht dort, im »Ratcliff«, eine wache, mündige Sprache und sagt unverhohlen sein letztes Wort. Dieses Wort wurde seitdem ein Losungswort, bei dessen Ruf die fahlen Gesichter des Elends wie Purpur aufflammen und die rotbäckigen Söhne des Glücks zu Kalk erbleichen. Am Herde des ehrlichen Tom im »Ratcliff« brodelt schon die große Suppenfrage, worin jetzt tausend verdorbene Köche herumlöffeln und die täglich schäumender überkocht. Ein wunderliches Sonntagskind ist der Poet; er sieht die Eichenwälder, welche noch in der Eichel schlummern, und er hält Zwiesprache mit den Geschlechtern, die noch nicht geboren sind. Sie wispern ihm ihre Geheimnisse, und er plaudert sie aus auf öffentlichem Markt. Aber seine Stimme verhallt im lauten Getöse der Tagesleidenschaften; wenige hören ihn, keiner versteht ihn. Friedrich Schlegel nannte den Geschichtschreiber einen Propheten, der rückwärts schaue in die Vergangenheit; – man könnte mit größerem Fug von dem Dichter sagen, daß er ein Geschichtschreiber sei, dessen Auge hinausblicke in die Zukunft.
    Ich schrieb den »William Ratcliff« zu Berlin unter den Linden, in den letzten drei Tagen des Januars 1821, als das Sonnenlicht

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