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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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schlimmsten Schmerzen,
    So wird auch der meine genannt.«
    14.
    Das Meer erglänzte weit hinaus
    Im letzten Abendscheine;
    Wir saßen am einsamen Fischerhaus,
    Wir saßen stumm und alleine.
    Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
    Die Möwe flog hin und wider;
    Aus deinen Augen, liebevoll,
    Fielen die Tränen nieder.
    Ich sah sie fallen auf deine Hand,
    Und bin aufs Knie gesunken;
    Ich hab von deiner weißen Hand
    Die Tränen fortgetrunken.
    Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
    Die Seele stirbt vor Sehnen; –
    Micht hat das unglücksel’ge: Weib
    Vergiftet mit ihren Tränen.
    15.
    Da droben auf jenem Berge,
    Da steht ein feines Schloß,
    Da wohnen drei schöne Fräulein,
    Von denen ich Liebe genoß.
    Sonnabend küßte mich Jette,
    Und Sonntag die Julia,
    Und Montag die Kunigunde,
    Die hat mich erdrückt beinah.
    Doch Dienstag war eine Fete
    Bei meinen drei Fräulein im Schloß;
    Die Nachbarschafts-Herren und -Damen,
    Die kamen zu Wagen und Roß.
    Ich aber war nicht geladen,
    Und das habt ihr dumm gemacht!
    Die zischelnden Muhmen und Basen,
    Die merkten’s und haben gelacht.
    16.
    Am fernen Horizonte
    Erscheint, wie ein Nebelbild,
    Die Stadt mit ihren Türmen
    In Abenddämmrung gehüllt.
    Ein feuchter Windzug kräuselt
    Die graue Wasserbahn;
    Mit traurigem Takte rudert
    Der Schiffer in meinem Kahn.
    Die Sonne hebt sich noch einmal
    Leuchtend vom Boden empor,
    Und zeigt mir jene Stelle,
    Wo ich das Liebste verlor.
    17.
    Sei mir gegrüßt, du große,
    Geheimnisvolle Stadt,
    Die einst in ihrem Schoße
    Mein Liebchen umschlossen hat.
    Sagt an, ihr Türme und Tore,
    Wo ist die Liebste mein?
    Euch hab ich sie anvertrauet,
    Ihr solltet mir Bürge sein.
    Unschuldig sind die Türme,
    Sie konnten nicht von der Stell’,
    Als Liebchen mit Koffern und Schachteln
    Die Stadt verlassen so schnell.
    Die Tore jedoch, die ließen
    Mein Liebchen entwischen gar still;
    Ein Tor ist immer willig,
    Wenn eine Törin will.
    18.
    So wandl’ ich wieder den alten Weg,
    Die wohlbekannten Gassen;
    Ich komme von meiner Liebsten Haus,
    Das steht so leer und verlassen.
    Die Straßen sind doch gar zu eng!
    Das Pflaster ist unerträglich!
    Die Häuser fallen mir auf den Kopf!
    Ich eile soviel als möglich!
    19.
    Ich trat in jene Hallen,
    Wo sie mir Treue versprochen;
    Wo einst ihre Tränen gefallen,
    Sind Schlangen hervorgekrochen.
    20.
    Still ist die Nacht, es ruhen die Gassen,
    In diesem Hause wohnte mein Schatz;
    Sie hat schon längst die Stadt verlassen,
    Doch steht noch das Haus auf demselben Platz.
    Da steht auch ein Mensch und starrt in die Höhe,
    Und ringt die Hände, vor Schmerzensgewalt;
    Mir graust es, wenn ich sein Antlitz sehe –
    Der Mond zeigt mir meine eigne Gestalt.
    Du Doppeltgänger! du bleicher Geselle!
    Was äffst du nach mein Liebesleid,
    Das mich gequält auf dieser Stelle,
    So manche Nacht, in alter Zeit?
    21.
    Wie kannst du ruhig schlafen,
    Und weißt, ich lebe noch?
    Der alte Zorn kommt wieder,
    Und dann zerbrech ich mein Joch.
    Kennst du das alte Liedchen:
    Wie einst ein toter Knab’
    Um Mitternacht die Geliebte
    Zu sich geholt ins Grab?
    Glaub mir, du wunderschönes,
    Du wunderholdes Kind,
    Ich lebe und bin noch stärker,
    Als alle Toten sind!
    22.
    Die Jungfrau schläft in der Kammer,
    Der Mond schaut zitternd hinein;
    Da draußen singt es und klingt es,
    Wie Walzermelodei’n.
    »Ich will mal schaun aus dem Fenster,
    Wer drunten stört meine Ruh’«
    Da steht ein Totengerippe,
    Und fiedelt und singt dazu:
    »Hast einst mir den Tanz versprochen,
    Und hast gebrochen dein Wort,
    Und heut ist Ball auf dem Kirchhof,
    Komm mit, wir tanzen dort.«
    Die Jungfrau ergreift es gewaltig,
    Es lockt sie hervor aus dem Haus;
    Sie folgt dem Gerippe, das singend
    Und fiedelnd schreitet voraus.
    Es fiedelt und tänzelt und hüpfet,
    Und klappert mit seinem Gebein,
    Und nickt und nickt mit dem Schädel
    Unheimlich im Mondenschein.
    23.
    Ich stand in dunkeln Träumen
    Und starrte ihr Bildnis an,
    Und das geliebte Antlitz
    Heimlich zu leben begann.
    Um ihre Lippen zog sich
    Ein Lächeln wunderbar,
    Und wie von Wehmutstränen
    Erglänzte ihr Augenpaar.
    Auch meine Tränen flossen
    Mir von den Wangen herab –
    Und ach, ich kann es nicht glauben,
    Daß ich dich verloren hab!
    24.
    Ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
    Die ganze Welt der Schmerzen, muß ich tragen,
    Ich trage Unerträgliches, und brechen
    Will mir das Herz im Leibe.
    Du stolzes Herz! du hast es ja gewollt!
    Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
    Oder

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