Sämtliche Werke
solcherweise verändert, oder vielmehr, daß Körper und Kleider jetzt die wahre Zerstörnis offenbaren, die sie seit zwanzig Jahren erlitten, während höllisches Blendwerk dieselbe unter erlogener Herrlichkeit den Augen der Menschen verbarg; er begreift nicht, warum das Hofgesinde mit Ekel von ihm zurückweicht, warum die Prinzessin ausruft: »Schafft mir den alten Bettler aus den Augen!« Da hält ihm die vermummte Lucrezia schadenfroh einen Spiegel vor, er sieht darin mit Beschämung seine wirkliche Gestalt und wird von der frechen Dienerschaft zur Tür hinausgetreten, wie ein räudiger Hund. –
Das andre Faustdrama, dessen ich oben erwähnt, sah ich zur Zeit eines Pferdemarktes in einem hannöverschen Flecken. Auf freier Wiese war ein kleines Theater aufgezimmert, und trotzdem daß am hellen Tage gespielt ward, wirkte die Beschwörungsszene hinlänglich schauervoll. Der Dämon, welcher erschien, nannte sich nicht Mephistopheles, sondern Astaroth, ein Name, welcher ursprünglich vielleicht identisch ist mit dem Namen der Astarte, obgleich letztere in den Geheimschriften der Magiker für die Gattin des Astaroths gehalten wird. Diese Astarte wird in jenen Schriften dargestellt mit zwei Hörnern auf dem Haupte, die einen Halbmond bilden, wie sie denn wirklich einst in Phönizien als eine Mondgöttin verehrt und deshalb von den Juden, gleich allen anderen Gottheiten ihrer Nachbaren, für einen Teufel gehalten ward. König Salomon, der Weise, hat sie jedoch heimlich angebetet, und Byron hat in seinem Faust, den er »Manfred« nannte, sie gefeiert. In dem Puppenspiele, das Simrock herausgegeben, heißt das Buch, wodurch Faust verführt wird, »Clavis Astarti de magica«.
In dem Stücke, wovon ich reden wollte, bevorwortet Faust seine Beschwörung mit der Klage, er sei so arm, daß er immer zu Fuße laufen müsse und nicht einmal von der Kuhmagd geküßt werde; er wolle sich dem Teufel verschreiben, um ein Pferd und eine schöne Prinzessin zu bekommen. Der beschworene Teufel erscheint zuerst in der Gestalt verschiedener Tiere, eines Schweins, eines Ochsen, eines Affen, doch Faust weist ihn zurück mit dem Bedeuten: »Du mußt bösartiger aussehen, um mir Schrecken einzuflößen.« Der Teufel erscheint alsdann wie ein Löwe, brüllend, quaerens quem devoret – auch jetzt ist er dem kecken Nekromanten nicht furchtbar genug, er muß sich mit eingekniffenem Schweife in die Kulissen zurückziehen und kehrt wieder als eine riesige Schlange. »Du bist noch nicht entsetzlich und grauenhaft genug«, sagt Faust. Der Teufel muß nochmals beschämt von dannen trollen, und jetzt sehen wir ihn hervortreten in der Gestalt eines Menschen von schönster Leibesbildung und gehüllt in einen roten Mantel. Faust gibt ihm seine Verwunderung darüber zu erkennen, und der Rotmantel antwortet: »Es ist nichts Entsetzlicheres und Grauenhafteres als der Mensch, in ihm grunzt und brüllt und meckert und zischt die Natur aller andern Tiere, er ist so unflätig wie ein Schwein, so brutal wie ein Ochse, so lächerlich wie ein Affe, so zornig wie ein Löwe, so giftig wie eine Schlange, er ist ein Kompositum der ganzen Animalität.«
Die sonderbare Übereinstimmung dieser alten Komödiantentirade mit einer der Hauptlehren der neuern Naturphilosophie, wie sie besonders Oken entwickelt, frappierte mich nicht wenig. Nachdem der Teufelsbund geschlossen, bringt Astaroth mehrere schöne Weiber in Vorschlag, die er dem Faust anpreist, z.B. die Judith. »Ich will keine Kopfabschneiderin«, antwortet jener. »Willst du die Kleopatra?« fragt alsdann der Geist. »Auch diese nicht«, erwidert Faust, »sie ist zu verschwenderisch, zu kostspielig und hat sogar den reichen Antonius ruinieren können; sie säuft Perlen.« – »So rekommandiere ich dir die schöne Helena von Sparta«, spricht lächelnd der Geist und setzt ironisch hinzu: »Mit dieser Person kannst du griechisch sprechen.« Der gelehrte Doktor ist entzückt über diese Proposition und fordert jetzt, daß der Geist ihm körperliche Schönheit und ein prächtiges Kleid verleihe, damit er erfolgreich mit dem Ritter Paris wetteifern könne; außerdem verlangt er ein Pferd, um gleich nach Troja zu reiten. Nach erlangter Zusage geht er ab mit dem Geiste, und beide kommen alsbald außerhalb der Theaterbude zum Vorschein, und zwar auf zwei hohen Rossen. Sie werfen ihre Mäntel von sich, und Faust sowohl als Astaroth sehen wir jetzt im glänzendsten Flitterstaate englischer Reiter die erstaunlichsten
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