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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Elend,
    Und über mich hin ziehen die Wolken,
    Die formlos grauen Töchter der Luft,
    Die aus dem Meer, in Nebeleimern,
    Das Wasser schöpfen,
    Und es mühsam schleppen und schleppen,
    Und es wieder verschütten ins Meer,
    Ein trübes, langweil’ges Geschäft,
    Und nutzlos, wie mein eignes Leben.
    Die Wogen murmeln, die Möwen schrillen,
    Alte Erinnrungen wehen mich an,
    Vergessene Träume, erloschene Bilder,
    Qualvoll süße, tauchen hervor.
    Es lebt ein Weib im Norden,
    Ein schönes Weib, königlich schön.
    Die schlanke Zypressengestalt
    Umschließt ein lüstern weißes Gewand;
    Die dunkle Lockenfülle,
    Wie eine selige Nacht,
    Von dem flechtengekrönten Haupt sich ergießend,
    Ringelt sich träumerisch süß
    Um das süße, blasse Antlitz;
    Und aus dem süßen, blassen Antlitz,
    Groß und gewaltig, strahlt ein Auge,
    Wie eine schwarze Sonne.
    Oh, du schwarze Sonne, wie oft,
    Entzückend oft, trank ich aus dir
    Die wilden Begeistrungsflammen,
    Und stand und taumelte, feuerberauscht –
    Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln
    Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen,
    Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen
    Hauchten Worte, süß wie Mondlicht,
    Und zart wie der Duft der Rose –
    Und meine Seele erhob sich
    Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel!
    Schweigt, ihr Wogen und Möwen!
    Vorüber ist alles, Glück und Hoffnung,
    Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden.
    Ein öder, schiffbrüchiger Mann,
    Und drücke mein glühendes Antlitz
    In den feuchten Sand.
    4.
Untergang der Sonne
    Die schöne Sonne
    Ist ruhig hinabgestiegen ins Meer;
    Die wogenden Wasser sind schon gefärbt
    Von der dunkeln Nacht,
    Nur noch die Abendröte
    Überstreut sie mit goldnen Lichtern;
    Und die rauschende Flutgewalt
    Drängt ans Ufer die weißen Wellen,
    Die lustig und hastig hüpfen,
    Wie wollige Lämmerherden,
    Die abends der singende Hirtenjunge
    Nach Hause treibt.
    »Wie schön ist die Sonne!«
    So sprach nach langem Schweigen der Freund,
    Der mit mir am Strande wandelte,
    Und scherzend halb und halb wehmütig,
    Versichert’ er mir: die Sonne sei
    Eine schöne Frau, die den alten Meergott
    Aus Konvenienz geheiratet;
    Des Tages über wandle sie freudig
    Am hohen Himmel, purpurgeputzt
    Und diamantenblitzend,
    Und allgeliebt und allbewundert
    Von allen Weltkreaturen,
    Und alle Weltkreaturen erfreuend
    Mit ihres Blickes Licht und Wärme;
    Aber des Abends, trostlos gezwungen,
    Kehre sie wieder zurück
    In das nasse Haus, in die öden Arme
    Des greisen Gemahls.
    »Glaub mir’s« – setzte hinzu der Freund,
    Und lachte und seufzte und lachte wieder –
    »Die führen dort unten die zärtlichste Ehe!
    Entweder sie schlafen oder sie zanken sich,
    Daß hochaufbraust hier oben das Meer,
    Und der Schiffer im Wellengeräusch es hört,
    Wie der Alte sein Weib ausschilt:
    ›Runde Metze des Weltalls!
    Strahlenbuhlende!
    Den ganzen Tag glühst du für andre,
    Und nachts, für mich, bist du frostig und müde!‹
    Nach solcher Gardinenpredigt,
    Versteht sich! bricht dann aus in Tränen
    Die stolze Sonne und klagt ihr Elend,
    Und klagt so jammerlang, daß der Meergott
    Plötzlich verzweiflungsvoll aus dem Bett springt,
    Und schnell nach der Meeresfläche heraufschwimmt,
    Um Luft und Besinnung zu schöpfen.
    So sah ich ihn selbst, verflossene Nacht,
    Bis an die Brust dem Meer enttauchen.
    Er trug eine Jacke von gelbem Flanell,
    Und eine lilienweiße Schlafmütz’,
    Und ein abgewelktes Gesicht.«
    5.
Der Gesang der Okeaniden
    Abendlich blasser wird es am Meer,
    Und einsam, mit seiner einsamen Seele,
    Sitze dort ein Mann auf dem kahlen Strand,
    Und schaut, todkalten Blickes, hinauf
    Nach der weiten, todkalten Himmelswölbung,
    Und schaut auf das weite, wogende Meer –
    Und über das weite, wogende Meer,
    Lüftesegler, ziehn seine Seufzer,
    Und kehren zurück, trübselig,
    Und hatten verschlossen gefunden das Herz,
    Worin sie ankern wollten –
    Und er stöhnt so laut, daß die weißen Möwen,
    Aufgescheucht aus den sandigen Nestern,
    Ihn herdenweis umflattern,
    Und er spricht zu ihnen die lachenden Worte:
    »Schwarzbeinigte Vögel,
    Mit weißen Flügeln meerüberflatternde,
    Mit krummen Schnäbeln seewassersaufende,
    Und tranigtes Robbenfleisch fressende,
    Eu’r Leben ist bitter wie eure Nahrung!
    Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!
    Ich koste den süßen Duft der Rose,
    Der mondscheingefütterten Nachtigallbraut,
    Ich koste noch süßeres Zuckerbackwerk,
    Gefüllt mit geschlagener Sahne;
    Und das Allersüßeste kost ich,
    Süße Liebe

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