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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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der Brust
    Trug er die Sonne,
    Die rote, flammende Sonne,
    Und das rote, flammende Sonnenherz
    Goß seine Gnadenstrahlen
    Und sein holdes, liebseliges Licht,
    Erleuchtend und wärmend,
    Über Land und Meer.
    Glockenklänge zogen feierlich
    Hin und her, zogen wie Schwäne,
    An Rosenbändern, das gleitende Schiff,
    Und zogen es spielend ans grüne Ufer,
    Wo Menschen wohnen, in hochgetürmter,
    Ragender Stadt.
    O Friedenswunder! Wie still die Stadt!
    Es ruhte das dumpfe Geräusch
    Der schwatzenden, schwülen Gewerbe,
    Und durch die reinen, hallenden Straßen
    Wandelten Menschen, weißgekleidete,
    Palmzweigtragende,
    Und wo sich zwei begegneten,
    Sahn sie sich an, verständnisinnig,
    Und schauernd, in Liebe und süßer Entsagung,
    Küßten sie sich auf die Stirne,
    Und schauten hinauf
    Nach des Heilands Sonnenherzen,
    Das freudig versöhnend sein rotes Blut
    Hinunterstrahlte,
    Und dreimalselig sprachen sie:
    »Gelobt sei Jesu Christ!«
Zweiter Zyklus
    ~
    1. Meergruß
    2. Gewitter
    3. Der Schiffbrüchige
    4. Untergang der Sonne
    5. Der Gesang der Okeaniden
    6. Die Götter Griechenlands
    7. Fragen
    8. Der Phönix
    9. Im Hafen
    10. Epilog
    ~
    1.
Meergruß
    Thalatta! Thalatta!
    Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer!
    Sei mir gegrüßt zehntausendmal,
    Aus jauchzendem Herzen,
    Wie einst dich begrüßten
    Zehntausend Griechenherzen,
    Unglückbekämpfende, heimatverlangende,
    Weltberühmte Griechenherzen.
    Es wogten die Fluten,
    Sie wogten und brausten,
    Die Sonne goß eilig herunter
    Die spielenden Rosenlichter,
    Die aufgescheuchten Möwenzüge
    Flatterten fort, lautschreiend,
    Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde,
    Und weithin erscholl es, wie Siegesruf:
    Thalatta! Thalatta!
    Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer!
    Wie Sprache der Heimat rauscht mir dein Wasser,
    Wie Träume der Kindheit seh ich es flimmern
    Auf deinem wogenden Wellengebiet,
    Und alte Erinnrung erzählt mir aufs neue
    Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug,
    Von all den blinkenden Weihnachtsgaben,
    Von all den roten Korallenbäumen,
    Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln,
    Die du geheimnisvoll bewahrst,
    Dort unten im klaren Kristallhaus.
    Oh! wie hab ich geschmachtet in öder Fremde!
    Gleich einer welken Blume!
    In des Botanikers blecherner Kapsel,
    Lag mir das Herz in der Brust.
    Mir ist, als saß ich winterlange,
    Ein Kranker, in dunkler Krankenstube,
    Und nun verlaß ich sie plötzlich,
    Und blendend strahlt mir entgegen
    Der smaragdene Frühling, der sonnengeweckte,
    Und es rauschen die weißen Blütenbäume,
    Und die jungen Blumen schauen mich an,
    Mit bunten, duftenden Augen,
    Und es duftet und summt, und atmet und lacht,
    Und im blauen Himmel singen die Vöglein –
    Thalatta! Thalatta!
    Du tapferes Rückzugherz!
    Wie oft, wie bitteroft
    Bedrängten dich des Nordens Barbarinnen!
    Aus großen, siegenden Augen
    Schossen sie brennende Pfeile;
    Mit krummgeschliffenen Worten
    Drohten sie mir die Brust zu spalten;
    Mit Keilschriftbilletts zerschlugen sie mir
    Das arme, betäubte Gehirn –
    Vergebens hielt ich den Schild entgegen,
    Die Pfeile zischten, die Hiebe krachten,
    Und von des Nordens Barbarinnen
    Ward ich gedrängt bis ans Meer –
    Und frei aufatmend begrüß ich das Meer,
    Das liebe, rettende Meer –
    Thalatta! Thalatta!
    2.
Gewitter
    Dumpf liegt auf dem Meer das Gewitter,
    Und durch die schwarze Wolkenwand
    Zuckt der zackige Wetterstrahl,
    Rasch aufleuchtend und rasch verschwindend,
    Wie ein Witz aus dem Haupte Kronions.
    Über das wüste, wogende Wasser
    Weithin rollen die Donner
    Und springen die weißen Wellenrosse,
    Die Boreas selber gezeugt
    Mit des Erichthons reizenden Stuten,
    Und es flattert ängstlich das Seegevögel,
    Wie Schattenleichen am Styx,
    Die Charon abwies vom nächtlichen Kahn.
    Armes, lustiges Schifflein,
    Das dort dahintanzt den schlimmsten Tanz!
    Äolus schickt ihm die flinksten Gesellen,
    Die wild aufspielen zum fröhlichen Reigen;
    Der eine pfeift, der andre bläst,
    Der dritte streicht den dumpfen Brummbaß –
    Und der schwankende Seemann steht am Steuer
    Und schaut beständig nach der Bussole,
    Der zitternden Seele des Schiffes,
    Und hebt die Hände flehend zum Himmel:
    »O rette mich, Kastor, reisiger Held,
    Und du, Kämpfer der Faust, Polydeukes!«
    3.
Der Schiffbrüchige
    Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert!
    Und ich selber, gleich einer Leiche,
    Die grollend ausgeworfen das Meer,
    Lieg ich am Strande,
    Am öden, kahlen Strande.
    Vor mir woget die Wasserwüste,
    Hinter mir liegt nur Kummer und

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