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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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hör ich kaum
    Meines Zerberus Gebelle.
    Stets vergeblich, stets nach Frieden
    Ring ich. Hier im Schattenreich
    Kein Verdammter ist mir gleich!
    Ich beneide Sisyphus
    Und die edlen Danaiden.«
    2.
    Auf goldenem Stuhl, im Reiche der Schatten,
    Zur Seite des königlichen Gatten,
    Sitzt Proserpine
    Mit finstrer Miene.
    Und im Herzen seufzet sie traurig:
    »Ich lechze nach Rosen, nach Sangesergüssen
    Der Nachtigall, nach Sonnenküssen –
    Und hier unter bleichen
    Lemuren und Leichen
    Mein junges Leben vertraur’ ich!
    Bin festgeschmiedet am Ehejoche,
    In diesem verwünschten Rattenloche!
    Und des Nachts die Gespenster,
    Sie schaun mir ins Fenster,
    Und der Styx, er murmelt so schaurig!
    Heut hab ich den Charon zu Tische geladen –
    Glatzköpfig ist er und ohne Waden –
    Auch die Totenrichter,
    Langweil’ge Gesichter –
    In solcher Gesellschaft versaur’ ich.«
    3.
    Während solcherlei Beschwerde
    In der Unterwelt sich häuft,
    Jammert Ceres auf der Erde.
    Die verrückte Göttin läuft,
    Ohne Haube, ohne Kragen,
    Schlotterbusig durch das Land,
    Deklamierend jene Klagen,
    Die euch allen wohlbekannt:
    »Ist der holde Lenz erschienen?
    Hat die Erde sich verjüngt?
    Die besonnten Hügel grünen,
    Und des Eises Rinde springt.
    Aus der Ströme blauem Spiegel
    Lacht der unbewölkte Zeus,
    Milder wehen Zephirs Flügel,
    Augen treibt das junge Reis.
    In dem Hain erwachen Lieder,
    Und die Oreade spricht:
    ›Deine Blumen kehren wieder,
    Deine Tochter kehret nicht.‹
    Ach wie lang ist’s, daß ich walle
    Suchend durch der Erde Flur!
    Titan, deine Strahlen alle
    Sandt ich nach der teuren Spur!
    Keiner hat mir noch verkündet
    Von dem lieben Angesicht,
    Und der Tag, der alles findet,
    Die Verlorne fand er nicht.
    Hast du, Zeus, sie mir entrissen?
    Hat, von ihrem Reiz gerührt,
    Zu des Orkus schwarzen Flüssen
    Pluto sie hinabgeführt?
    Wer wird nach dem düstern Strande
    Meines Grames Bote sein?
    Ewig stößt der Kahn vom Lande,
    Doch nur Schatten nimmt er ein.
    Jedem sel’gen Aug’ verschlossen
    Bleibt das nächtliche Gefild’,
    Und solang der Styx geflossen,
    Trug er kein lebendig Bild.
    Nieder führen tausend Steige,
    Keiner führt zum Tag zurück;
    Ihre Träne bringt kein Zeuge
    Vor der bangen Mutter Blick.«
    4.
    »Meine Schwiegermutter Ceres!
    Laß die Klagen, laß die Bitten!
    Dein Verlangen, ich gewähr es –
    Habe selbst soviel gelitten!
    Tröste dich, wir wollen ehrlich
    Den Besitz der Tochter teilen,
    Und sechs Monden soll sie jährlich
    Auf der Oberwelt verweilen.
    Hilft dir dort an Sommertagen
    Bei den Ackerbaugeschäften;
    Einen Strohhut wird sie tragen,
    Wird auch Blumen daran heften.
    Schwärmen wird sie, wenn den Himmel
    Überzieht die Abendröte,
    Und am Bach ein Bauerlümmel
    Zärtlich bläst die Hirtenflöte.
    Wird sich freun mit Gret’ und Hänschen
    Bei des Erntefestes Reigen;
    Unter Schöpsen, unter Gänschen,
    Wird sie sich als Löwin zeigen.
    Süße Ruh’! Ich kann verschnaufen
    Hier im Orkus unterdessen!
    Punsch mit Lethe will ich saufen,
    Um die Gattin zu vergessen.«
    5.
    »Zuweilen dünkt es mich, als trübe
    Geheime Sehnsucht deinen Blick –
    Ich kenn es wohl, dein Mißgeschick:
    Verfehltes Leben, verfehlte Liebel
    Du nickst so traurig! Wiedergeben
    Kann ich dir nicht die Jugendzeit –
    Unheilbar ist dein Herzeleid:
    Verfehlte Liebe, verfehltes Leben!«
Zur Ollea
    Überwiegend entstanden nach 1844.
Erstdruck in der 3. Aufl.
der
Neuen Gedichte
1852.
    ~
    1. Maultiertum
    2. Symbolik des Unsinns
    3. Hoffart
    4. Wandere!
    5. Winter
    6. Altes Kaminstück
    7. Sehnsüchtelei
    8. Helena
    9. Kluge Sterne
    10. Die Engel
    ~
    1.
Maultiertum
    Dein Vater, wie ein jeder weiß,
    Ein Esel leider war der Gute;
    Doch deine Mutter, hochgesinnt,
    War eine edle Vollblutstute.
    Tatsache ist dein Maultiertum,
    Wie sehr du dessen dich erwehrest;
    Doch sagen darfst du guten Fugs,
    Daß du den Pferden angehörest –
    Daß du abstammst vom Bucephal,
    Dem stolzen Gaul, daß deine Ahnen
    Geharnischt nach dem Heil’gen Grab
    Gefolgt den frommen Kreuzzugfahnen –
    Daß du zu deiner Sippschaft zählst
    Den hohen Schimmel, den geritten
    Herr Gottfried von Bouillon, am Tag,
    Wo er die Gottesstatt erstritten; –
    Kannst sagen auch, daß Roß-Bayard
    Dein Vetter war, daß deine Tante
    Den Ritter Don Quixote trug,
    Die heldenmüt’ge Rosinante.
    Freilich, daß Sanchos Grauchen auch
    Mit dir verwandt, mußt du nicht sagen;
    Verleugne gar das Eselein,
    Das unsern Heiland einst getragen.
    Auch ist nicht nötig, daß du

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