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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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malen oder, wie die kursierende Redensart heißt, seine Eigentümlichkeit hervortreten zu lassen. Welche Bilder hierdurch manchmal zum Vorschein kommen, läßt sich leicht erraten.
    Da die Franzosen jedenfalls viel gesunde Vernunft besitzen, so haben sie das Verfehlte immer richtig beurteilt, das wahrhaft Eigentümliche leicht erkannt und aus einem bunten Meer von Gemälden die wahrhaften Perlen leicht herausgefunden. Die Maler, deren Werke man am meisten besprach und als das Vorzüglichste pries, waren A. Scheffer, H. Vernet, Delacroix, Decamps, Lessore, Schnetz, Delaroche und Robert. Ich darf mich also darauf beschränken, die öffentliche Meinung zu referieren. Sie ist von der meinigen nicht sehr abweichend. Beurteilung technischer Vorzüge oder Mängel will ich soviel als möglich vermeiden. Auch ist dergleichen von wenig Nutzen bei Gemälden, die nicht in öffentlichen Galerien der Betrachtung ausgestellt bleiben, und noch weniger nützt es dem deutschen Berichtempfänger, der sie gar nicht gesehen. Nur Winke über das Stoffartige und die Bedeutung der Gemälde mögen letzterem willkommen sein. Als gewissenhafter Referent erwähne ich zuerst die Gemälde von
A. Scheffer
    Haben doch der Faust und das Gretchen dieses Malers im ersten Monat der Ausstellung die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da die besten Werke von Delaroche und Robert erst späterhin aufgestellt wurden. Überdies, wer nie etwas von Scheffer gesehen, wird gleich frappiert von seiner Manier, die sich besonders in der Farbengebung ausspricht. Seine Feinde sagen ihm nach, er male nur mit Schnupftabak und grüner Seife. Ich weiß nicht, wie weit sie ihm unrecht tun. Seine braunen Schatten sind nicht selten sehr affektiert und verfehlen den in Rembrandtscher Weise beabsichtigten Lichteffekt. Seine Gesichter haben meistens jene fatale Couleur, die uns manchmal das eigene Gesicht verleiden konnte, wenn wir es, überwacht und verdrießlich, in jenen grünen Spiegeln erblickten, die man in alten Wirtshäusern, wo der Postwagen des Morgens stillehält, zu finden pflegt. Betrachtet man aber Scheffers Bilder etwas näher und länger, so befreundet man sich mit seiner Weise, man findet die Behandlung des Ganzen sehr poetisch, und man sieht, daß aus den trübsinnigen Farben ein lichtes Gemüt hervorbricht, wie Sonnenstrahlen aus Nebelwolken. Jene mürrisch gefegte, gewischte Malerei, jene todmüden Farben mit unheimlich vagen Umrissen sind in den Bildern von Faust und Gretchen sogar von gutem Effekt. Beide sind lebensgroße Kniestücke. Faust sitzt in einem mittelaltertümlichen roten Sessel, neben einem mit Pergamentbüchern bedeckten Tische, der seinem linken Arm, worin sein bloßes Haupt ruht, als Stütze dient. Den rechten Arm, mit der flachen Hand nach außen gekehrt, stemmt er gegen seine Hüfte. Gewand seifengrünlich blau. Das Gesicht fast Profil und schnupftabaklich fahl die Züge desselben streng edel. Trotz der kranken Mißfarbe, der gehöhlten Wangen, der Lippen welkheit, der eingedrückten Zerstörnis trägt dieses Gesicht dennoch die Spuren seiner ehemaligen Schönheit, und indem die Augen ihr holdwehmütiges Licht darüber hingießen, sieht es aus wie eine schöne Ruine, die der Mond beleuchtet. Ja, dieser Mann ist eine schöne Menschenruine, in den Falten über diesen verwitterten Augbraunen brüten fabelhaft gelahrte Eulen, und hinter dieser Stirne lauern böse Gespenster; um Mitternacht öffnen sich dort die Gräber verstorbener Wünsche, bleiche Schatten dringen hervor, und durch die öden Hirnkammern schleicht, wie mit gebundenen Füßen, Gretchens Geist. Das ist eben das Verdienst des Malers, daß er uns nur den Kopf eines Mannes gemalt hat und daß der bloße Anblick desselben uns die Gefühle und Gedanken mitteilt, die sich in des Mannes Hirn und Herzen bewegen. Im Hintergrunde, kaum sichtbar und ganz grün, widerwärtig grün gemalt, erkennt man auch den Kopf des Mephistopheles, des bösen Geistes, des Vaters der Lüge, des Fliegengottes, des Gottes der grünen Seife.
    Gretchen ist ein Seitenstück von gleichem Werte. Sie sitzt ebenfalls auf einem gedämpft roten Sessel, das ruhende Spinnrad mit vollem Wocken zur Seite; in der Hand hält sie ein aufgeschlagenes Gebetbuch, worin sie nicht liest und worin ein verblichen buntes Muttergottesbildchen hervortröstet. Sie hält das Haupt gesenkt, so daß die größere Seite des Gesichtes, das ebenfalls fast Profil, gar seltsam beschattet wird. Es ist, als ob des Faustes nächtliche

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