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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Schuld; er fürchtete die materiellen Dolche der Feinde, und deshalb trug er unter dem Wams immer einen Harnisch, und er wurde immer mißtrauischer, und endlich gar, als das Büchlein erschien: »Töten ist kein Mord«, da hat Oliver Cromwell nie mehr gelächelt.
    Wenn aber die Vergleichung des Protektors und des Kaisers wenig Ähnlichkeiten bietet, so ist die Ausbeute desto reicher bei den Parallelen zwischen den Fehlern der Stuarts und der Bourbonen überhaupt und zwischen den Restaurationsperioden in beiden Ländern. Es ist fast eine und dieselbe Untergangsgeschichte. Auch dieselbe Quasilegitimität der neuen Dynastie ist vorhanden wie einst in England. Im Foyer des Jesuitismus werden ebenfalls wieder wie einst die heiligen Waffen geschmiedet, die alleinseligmachende Kirche seufzt und intrigiert ebenfalls für das Kind des Mirakels, und es fehlt nur noch, daß der französische Prätendent, so wie einst der englische, nach dem Vaterlande zurückkehre. Immerhin, mag er kommen! Ich prophezeie ihm das entgegengesetzte Schicksal Sauls, der seines Vaters Esel suchte und eine Krone fand: – der junge Heinrich wird nach Frankreich kommen und eine Krone suchen, und er findet hie nur die Esel seines Vaters.
    Was die Beschauer des Cromwell am meisten beschäftigte, war die Entzifferung seiner Gedanken bei dem Sarge des toten Karl. Die Geschichte berichtet diese Szene nach zwei verschiedenen Sagen. Nach der einen habe Cromwell des Nachts, bei Fackelschein, sich, den Sarg öffnen lassen, und erstarrten Leibs und verzerrten Angesichts sei er lange davor stehengeblieben, wie ein stummes Steinbild. Nach einer anderen Sage öffnete er den Sarg bei Tage, betrachtete ruhig den Leichnam und sprach die Worte: »Es war ein starkgebauter Mann, und er hätte noch lange leben können.« Nach meiner Ansicht hat Delaroche diese demokratischere Legende im Sinne gehabt. Im Gesichte seines Cromwells ist durchaus kein Erstaunen oder Verwundern oder sonstiger Seelensturm ausgedrückt; im Gegenteil, den Beschauer erschüttert diese grauenhafte, entsetzliche Ruhe im Gesichte des Mannes. Da steht sie, die gefestete erdsichere Gestalt, »brutal wie eine Tatsache«, gewaltig ohne Pathos, dämonisch natürlich, wunderbar ordinär, verfemt und zugleich gefeit, und da betrachtet sie ihr Werk, fast wie ein Holzhacker, der eben eine Eiche gefällt hat. Er hat sie ruhig gefällt, die große Eiche, die einst so stolz ihre Zweige verbreitete über England und Schottland, die Königseiche, in deren Schatten so viele schöne Menschengeschlechter geblüht und worunter die Elfen der Poesie ihre süßesten Reigen getanzt; – er hat sie ruhig gefällt mit dem unglückseligen Beil, und da liegt sie zu Boden mit all ihrem holden Laubwerk und mit der unverletzten Krone; – unglückseliges Beil!
    »Do you not think, Sir, that the guillotine is a great improvement?« Das waren die gequäkten Worte, womit ein Brite, der hinter mir stand, die Empfindungen unterbrach, die ich eben niedergeschrieben und die so wehmütig meine Seele erfüllten, während ich Karls Halswunde auf dem Bilde von Delaroche betrachtete. Sie ist etwas allzu grell blutig gemalt. Auch ist der Deckel des Sarges ganz verzeichnet und gibt diesem das Ansehen eines Violinkastens. Im übrigen ist aber das Bild ganz unübertrefflich meisterhaft gemalt, mit der Feinheit des van Dyck und mit der Schattenkühnheit des Rembrandt; es erinnert mich namentlich an die republikanischen Kriegergestalten auf dem großen historischen Gemälde des letztern, »Die Nachtwache«, die ich im Trippenhuis zu Amsterdam gesehen.
    Der Charakter des Delaroche sowie des größten Teils seiner Kunstgenossen nähert sich überhaupt am meisten der flämischen Schule; nur daß die französische Grazie etwas zierlich leichter die Gegenstände behandelt und die französische Eleganz hübsch oberflächlich darüber hinspielt. Ich möchte daher den Delaroche einen graziösen, eleganten Niederländer nennen.
    An einem andern Orte werde ich vielleicht die Gespräche berichten, die ich so oft vor seinem Cromvell vernahm. Kein Ort gewährte eine bessere Gelegenheit zur Belauschung der Volksgefühle und Tagesmeinungen. Das Gemälde hing in der großen Tribüne, am Eingang der langen Galerie, und daneben hing Roberts ebenso bedeutsames Meisterwerk, gleichsam tröstend und versöhnend. In der Tat, wenn die kriegsrohe Puritanergestalt, der entsetzliche Schnitter mit dem abgemähten Königshaupt, aus dunkelm Grunde hervortretend, den Beschauer

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