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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Musik und Poesie, die schon vor der Revolution ihre Umwandlung begonnen.
    Herr Louis de Maynard, welcher in der »Europe littéraire« über den diesjährigen Salon eine Reihe Artikel geliefert welche zu dem Interessantesten gehören, was je ein Franzose über Kunst geschrieben, hat sich in betreff obiger Bemerkung mit folgenden Worten ausgesprochen, die ich, soweit es bei der Lieblichkeit und Grazie des Ausdrucks möglich ist, getreu wiedergebe:
    »In derselben Weise wie die gleichzeitige Politik und die Literatur beginnt auch die Malerei des achtzehnten Jahrhunderts; in derselben Weise erreichte sie eine gewisse vollendete Entfaltung; und sie brach auch zusammen denselben Tag, als alles in Frankreich zusammengebrochen. Sonderbares Zeitalter, welches mit einem lauten Gelächter bei dem Tode Ludwigs XIV. anfängt und in den Armen des Scharfrichters endigt, ›des Herrn Scharfrichters‹, wie Madame Dubarry ihn nannte! Oh, dieses Zeitalter, welches alles verneinte, alles verspöttelte, alles entweihte und an nichts glaubte, war eben deshalb um so tüchtiger zu dem großen Werke der Zerstörung, und es zerstörte, ohne im mindesten etwas wieder aufbauen zu können, und es hatte auch keine Lust dazu.
    Indessen, die Künste, wenn sie auch derselben Bewegung folgen, folgen sie ihr doch nicht mit gleichem Schritte. So ist die Malerei im achtzehnten Jahrhundert zurückgeblieben. Sie hat ihre Crébillon hervorgebracht, aber keine Voltaire, keine Diderot. Beständig im Solde der vornehmen Gönnerschaft, beständig im unterröcklichen Schutze der regierenden Mätressen, hat sich ihre Kühnheit und ihre Kraft allmählich aufgelöst, ich weiß nicht wie. Sie hat in all ihrer Ausgelassenheit nie jenen Ungestüm, nie jene Begeisterung bekundet, die uns fortreißt und blendet und für den schlechten Geschmack entschädigt. Sie wirkt mitbehaglich mit ihren frostigen Spielereien, mit ihren welken Kleinkünsten im Bereiche eines Boudoirs, wo ein nettes Zierdämchen, auf dem Sofa hingestreckt, sich leichtsinnig fächert. Favart, mit seinen Eglees und Zulmas, ist wahrheitlicher als Watteau und Boucher mit ihren koketten Schäferinnen und idyllischen Abbés. Favart, wenn er sich auch lächerlich machte, so meinte er es doch ehrlich. Die Maler jenes Zeitalters nahmen am wenigsten teil an dem, was sich in Frankreich vorbereitete. Der Ausbruch der Revolution überraschte sie im Negligé. Die Philosophie, die Politik, die Wissenschaft, die Literatur, jede durch einen besonderen Mann repräsentiert, waren sie stürmisch, wie eine Schar Trunkenbolde, auf ein Ziel losgestürmt, das sie nicht kannten; aber je näher sie demselben gelangten, desto besänftigter wurde ihr Fieber, desto ruhiger wurde ihr Antlitz, desto sicherer wurde ihr Gang. Jenes Ziel, welches sie nicht kannten, mochten sie wohl dunkel ahnen; denn im Buche Gottes hatten sie lesen können, daß alle menschlichen Freuden mit Tränen endigen. Und ach! sie kamen von einem zu wüsten, jauchzenden Gelag, als daß sie nicht zu dem Ernstesten und Schrecklichsten gelangen mußten. Wenn man die Unruhe betrachtet, wovon sie in dem süßesten Rausche dieser Orgie des achtzehnten Jahrhunderts zuweilen beängstigt worden, so sollte man glauben, das Schafott, das all diese tolle Lust endigen sollte, habe ihnen schon von ferne zugewinkt, wie das dunkle Haupt eines Gespenstes.
    Die Malerei, welche sich damals von der ernsthaften sozialen Bewegung entfernt gehalten, sei es nun, weil sie von Wein und Weibern ermattet war, oder sei es auch, weil sie ihre Mitwirkung für fruchtlos hielt, genug, sie hat sich bis zum letzten Augenblick dahingeschleppt zwischen ihren Rosen, Moschusdüften und Schäferspielen. Vien und einige andere fühlten wohl, daß man sie zu jedem Preis daraus emporziehen müsse, aber sie wußten nicht, was man alsdann damit anfangen sollte. Lesueur, den der Lehrer Davids sehr hochachtete, konnte keine neue Schule hervorbringen. Er mußte dessen wohl eingeständig sein. In eine Zeit geschleudert, wo auch alles geistige Königtum in die Gewalt eines Marat und eines Robespierre geraten, war David in derselben Verlegenheit wie jene Künstler. Wissen wir doch, daß er nach Rom ging und daß er ebenso Vanlooisch heimkehrte, wie er abgereist war. Erst später, als das griechisch-römische Altertum gepredigt wurde, als Publizisten und Philosophen auf den Gedanken gerieten, man müsse zu den literärischen, sozialen und politischen Formen der Alten zurückkehren: erst alsdann entfaltete

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