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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Abbatissin,
    Cortez’ erste Jugendliebe.
    Als er auf der Brust des Jünglings
    Jenes Medaillon gewahrte,
    Das der Mutter Bildnis einschloß,
    Weinte Cortez helle Tränen –
    Doch er wischt’ sie ab vom Auge
    Mit dem harten Büffelhandschuh,
    Seufzte tief und sang im Chore
    Mit den andern: »Miserere!«
    3.
    Blasser schimmern schon die Sterne,
    Und die Morgennebel steigen
    Aus der Seeflut, wie Gespenster,
    Mit hinschleppend weißen Laken.
    Fest und Lichter sind erloschen
    Auf dem Dach des Götzentempels,
    Wo am blutgetränkten Estrich
    Schnarchend liegen Pfaff’ und Laie.
    Nur die rote Jacke wacht.
    Bei dem Schein der letzten Lampe,
    Süßlich grinsend, grimmig schäkernd,
    Spricht der Priester zu dem Gotte:
    »Vitzliputzli, Putzlivitzli,
    Liebstes Göttchen Vitzliputzli!
    Hast dich heute amüsieret,
    Hast gerochen Wohlgerüche!
    Heute gab es Spanierblut –
    Oh, das dampfte so app’titlich,
    Und dein feines Leckernäschen
    Sog den Duft ein, wollustglänzend.
    Morgen opfern wir die Pferde,
    Wiehernd edle Ungetüme,
    Die des Windes Geister zeugten,
    Buhlschaft treibend mit der Seekuh.
    Willst du artig sein, so schlacht ich
    Dir auch meine beiden Enkel,
    Hübsche Bübchen, süßes Blut,
    Meines Alters einz’ge Freude.
    Aber artig mußt du sein,
    Mußt uns neue Siege schenken –
    Laß uns siegen, liebes Göttchen,
    Putzlivitzli, Vitzliputzli!
    O verderbe unsre Feinde,
    Diese Fremden, die aus fernen
    Und noch unentdeckten Ländern
    Zu uns kamen übers Weltmeer –
    Warum ließen sie die Heimat?
    Trieb sie Hunger oder Blutschuld?
    Bleib im Land und nähr dich redlich,
    Ist ein sinnig altes Sprüchwort.
    Was ist ihr Begehr? Sie stecken
    Unser Gold in ihre Taschen,
    Und sie wollen, daß wir droben
    Einst im Himmel glücklich werden!
    Anfangs glaubten wir, sie wären
    Wesen von der höchsten Gattung,
    Sonnensöhne, die unsterblich
    Und bewehrt mit Blitz und Donner.
    Aber Menschen sind sie, tötbar
    Wie wir andre, und mein Messer
    Hat erprobet heute nacht
    Ihre Menschensterblichkeit.
    Menschen sind sie und nicht schöner
    Als wir andre, manche drunter
    Sind so häßlich wie die Affen;
    Wie bei diesen sind behaart
    Die Gesichter, und es heißt,
    Manche trügen in den Hosen
    Auch verborgne Affenschwänze –
    Wer kein Aff’, braucht keine Hosen.
    Auch moralisch häßlich sind sie,
    Wissen nichts von Pietät,
    Und es heißt, daß sie sogar
    Ihre eignen Götter fräßen!
    O vertilge diese ruchlos
    Böse Brut, die Götterfresser –
    Vitzliputzli, Putzlivitzli,
    Laß uns siegen, Vitzliputzli!« –
    Also sprach zum Gott der Priester,
    Und des Gottes Antwort tönt
    Seufzend, röchelnd, wie der Nachtwind,
    Welcher koset mit dem Seeschilf:
    »Rotjack’, Rotjack’, blut’ger Schlächter,
    Hast geschlachtet viele Tausend,
    Bohre jetzt das Opfermesser
    In den eignen alten Leib.
    Aus dem aufgeschlitzten Leib
    Schlüpft alsdann hervor die Seele;
    Über Kiesel, über Wurzel
    Trippelt sie zum Laubfroschteiche.
    Dorten hocket meine Muhme
    Rattenkön’gin – sie wird sagen:
    ›Guten Morgen, nackte Seele,
    Wie ergeht es meinem Neffen?
    Vitzliputzelt er vergnügt
    In dem honigsüßen Goldlicht?
    Wedelt ihm das Glück die Fliegen
    Und die Sorgen von der Stirne?
    Oder kratzt ihn Katzlagara,
    Die verhaßte Unheilsgöttin
    Mit den schwarzen Eisenpfoten,
    Die in Otterngift getränket?‹
    Nackte Seele, gib zur Antwort:
    ›Vitzliputzli läßt dich grüßen,
    Und er wünscht dir Pestilenz
    In den Bauch, Vermaledeite!
    Denn du rietest ihm zum Kriege,
    Und dein Rat, es war ein Abgrund –
    In Erfüllung geht die böse,
    Uralt böse Prophezeiung.
    Von des Reiches Untergang
    Durch die furchtbar bärt’gen Männer,
    Die auf hölzernem Gevögel
    Hergeflogen aus dem Osten.
    Auch ein altes Sprüchwort gibt es:
    Weiberwille, Gotteswille –
    Doppelt ist der Gotteswille,
    Wenn das Weib die Muttergottes.
    Diese ist es, die mir zürnet,
    Sie, die stolze Himmelsfürstin,
    Eine Jungfrau sonder Makel,
    Zauberkundig, wundertätig.
    Sie beschützt das Spaniervolk,
    Und wir müssen untergehen,
    Ich, der ärmste aller Götter,
    Und mein armes Mexiko.‹
    Nach vollbrachtem Auftrag, Rotjack’,
    Krieche deine nackte Seele
    In ein Sandloch – Schlafe wohl!
    Daß du nicht mein Unglück schauest!
    Dieser Tempel stürzt zusammen,
    Und ich selber, ich versinke
    In dem Qualm – nur Rauch und Trümmer –
    Keiner wird mich wiedersehen.
    Doch ich sterbe nicht; wir Götter
    Werden alt wie Papageien,
    Und wir mausern nur und wechseln
    Auch wie diese das

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