Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
Triumphes;
    Hunderttausend Freudenlampen
    Lodern auf in Mexiko.
    Hunderttausend Freudenlampen,
    Waldharzfackeln, Pechkranzfeuer,
    Werfen grell ihr Tageslicht
    Auf Paläste, Götterhallen,
    Gildenhäuser und zumal
    Auf den Tempel Vitzliputzlis,
    Götzenburg von rotem Backstein,
    Seltsam mahnend an ägyptisch,
    Babylonisch und assyrisch
    Kolossalen Bauwerkmonstren,
    Die wir schauen auf den Bildern
    Unsers Briten Henri Martin.
    Ja, das sind dieselben breiten
    Rampentreppen, also breit,
    Daß dort auf und nieder wallen
    Viele tausend Mexikaner,
    Während auf den Stufen lagern
    Rottenweis die wilden Krieger,
    Welche lustig bankettieren,
    Hochberauscht von Sieg und Palmwein.
    Diese Rampentreppen leiten,
    Wie ein Zickzack, nach der Plattform,
    Einem balustradenart’gen
    Ungeheuern Tempeldach.
    Dort auf seinem Thronaltar
    Sitzt der große Vitzliputzli,
    Mexikos blutdürst’ger Kriegsgott.
    Ist ein böses Ungetüm,
    Doch sein Äußres ist so putzig,
    So verschnörkelt und so kindisch,
    Daß er trotz des innern Grausens
    Dennoch unsre Lachlust kitzelt –
    Und bei seinem Anblick denken
    Wir zu gleicher Zeit etwa
    An den blassen Tod von Basel
    Und an Brüssels Mankepiß.
    An des Gottes Seite stehen
    Rechts die Laien, links die Pfaffen;
    Im Ornat von bunten Federn
    Spreizt sich heut die Klerisei.
    Auf des Altars Marmorstufen
    Hockt ein hundertjährig Männlein,
    Ohne Haar an Kinn und Schädel;
    Trägt ein scharlach Kamisölchen.
    Dieses ist der Opferpriester,
    Und er wetzet seine Messer,
    Wetzt sie lächelnd, und er schielet
    Manchmal nach dem Gott hinauf.
    Vitzliputzli scheint den Blick
    Seines Dieners zu verstehen,
    Zwinkert mit den Augenwimpern
    Und bewegt sogar die Lippen.
    Auf des Altars Stufen kauern
    Auch die Tempelmusici,
    Paukenschläger, Kuhhornbläser –
    Ein Gerassel und Getute –
    Ein Gerassel und Getute,
    Und es stimmet ein des Chores
    Mexikanisches Tedeum –
    Ein Miaulen wie von Katzen –
    Ein Miaulen wie von Katzen,
    Doch von jener großen Sorte,
    Welche Tigerkatzen heißen
    Und statt Mäuse Menschen fressen!
    Wenn der Nachtwind diese Töne
    Hinwirft nach dem Seegestade,
    Wird den Spaniern, die dort lagern,
    Katzenjämmerlich zumute.
    Traurig unter Trauerweiden,
    Stehen diese dort noch immer,
    Und sie starren nach der Stadt,
    Die im dunkeln Seegewässer
    Widerspiegelt, schier verhöhnend,
    Alle Flammen ihrer Freude –
    Stehen dort wie im Parterre
    Eines großen Schauspielhauses,
    Und des Vitzliputzli-Tempels
    Helle Plattform ist die Bühne,
    Wo zur Siegesfeier jetzt
    Ein Mysterium tragiert wird.
    »Menschenopfer« heißt das Stück.
    Uralt ist der Stoff, die Fabel;
    In der christlichen Behandlung
    Ist das Schauspiel nicht so gräßlich.
    Denn dem Blute wurde Rotwein,
    Und dem Leichnam, welcher vorkam,
    Wurde eine harmlos dünne
    Mehlbreispeis’ transsubstituieret –
    Diesmal aber, bei den Wilden,
    War der Spaß sehr roh und ernsthaft
    Aufgefaßt: man speiste Fleisch,
    Und das Blut war Menschenblut.
    Diesmal war es gar das Vollblut
    Von Altchristen, das sich nie,
    Nie vermischt hat mit dem Blute
    Der Moresken und der Juden.
    Freu dich, Vitzliputzli, freu dich,
    Heute gibt es Spanierblut,
    Und am warmen Dufte wirst du
    Gierig laben deine Nase.
    Heute werden dir geschlachtet
    Achtzig Spanier, stolze Braten
    Für die Tafel deiner Priester,
    Die sich an dem Fleisch erquicken.
    Denn der Priester ist ein Mensch,
    Und der Mensch, der arme Fresser,
    Kann nicht bloß vom Riechen leben
    Und vom Dufte, wie die Götter.
    Horch! die Todespauke dröhnt schon,
    Und es kreischt das böse Kuhhorn!
    Sie verkünden, daß heraufsteigt
    Jetzt der Zug der Sterbemänner.
    Achtzig Spanier, schmählich nackend,
    Ihre Hände auf dem Rücken
    Festgebunden, schleppt und schleift man
    Hoch hinauf die Tempeltreppe.
    Vor dem Vitzliputzli-Bilde
    Zwingt man sie, das Knie zu beugen
    Und zu tanzen Possentänze,
    Und man zwingt sie durch Torturen,
    Die so grausam und entsetzlich,
    Daß der Angstschrei der Gequälten
    Überheulet das gesamte
    Kannibalencharivari. –
    Armes Publikum am See!
    Cortez und die Kriegsgefährten,
    Sie vernahmen und erkannten
    Ihrer Freunde Angstrufstimmen –
    Auf der Bühne, grellbeleuchtet,
    Sahen sie auch ganz genau
    Die Gestalten und die Mienen –
    Sahn das Messer, sahn das Blut –
    Und sie nahmen ab die Helme
    Von den Häuptern, knieten nieder,
    Stimmten an den Psalm der Toten,
    Und sie sangen: »De profundis!«
    Unter jenen, welche starben,
    War auch Raimond de Mendoza,
    Sohn der schönen

Weitere Kostenlose Bücher