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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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ein Effekt dem anderen den Hals bricht. Der Gedanke, worin sich der ganze Spektakel bewegt, ist eng, und weder ein Charakter noch eine Situation kann sich natürlich entwickeln und entfalten. Dieses Aufeinandertürmen von Stoff ist zwar schon bei den vorhergenannten Bühnendichtern in unerträglichem Grade zu finden; aber der Verfasser des »Gaspardo« hat sie beide noch überboten. Indessen, das ist Vorsatz, das ist Prinzip, wie mir einige junge Dramaturgen versichern, durch dieses Zusammenhäufen von heterogenen Stoffen, Zeitperioden und Lokalen unterscheidet sich der jetzige Romantiker von den ehemaligen Klassikern, die in den geschlossenen Schranken des Dramas auf die Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung so strenge hielten.
    Haben diese Neuerer wirklich die Grenzen des französischen Theaters erweitert? Ich weiß nicht. Aber diese französischen Bühnendichter mahnen mich immer an den Kerkermeister, welcher über die Enge des Gefängnisses sich beklagte und, um den Raum desselben zu erweitern, kein besseres Mittel wußte, als daß er immer mehr und mehr Gefangene hineinsperrte, die aber, statt die Kerkerwände auszudehnen, sich nur einander erdrückten.
    Nachträglich erwähne ich, daß auch in »Gaspardo« und »Eulalie Grangèr«, wie in allen dionysischen Spielen des Boulevards, die Ehe als Sündenbock geschlachtet wird.
    Ich möchte Ihnen gern noch, lieber Freund, von einigen anderen Bühnendichtern des Boulevards berichten, aber wenn sie auch dann und wann ein verdauliches Stück liefern, so zeigt sich darin nur eine Leichtigkeit der Behandlung, die wir bei allen Franzosen finden, keineswegs aber eine Eigentümlichkeit der Auffassung. Auch habe ich nur die Stücke gesehen und gleich vergessen und mich nie danach erkundigt, wie ihre Autoren hießen. Zum Ersatze aber will ich Ihnen die Namen der Eunuchen mitteilen, die dem König Ahasverus in Susa als Kämmerer dienten; sie hießen: Mehuman, Bistha, Harbona, Bigtha, Abagtha, Sethar und Charkas.
    Die Theater des Boulevards, von denen ich eben sprach und die ich in diesen Briefen beständig im Sinne hatte, sind die eigentlichen Volkstheater, welche an der Porte Saint-Martin anfangen und dem Boulevard du Temple entlang in immer absteigendem Werte sich aufgestellt haben. Ja, diese lokale Rangordnung ist ganz richtig. Erst kommt das Schauspielhaus, welches den Namen der Porte Saint-Martin führt und für das Drama gewiß das beste Theater von Paris ist, die Werke von Hugo und Dumas am vortrefflichsten gibt und eine vortreffliche Truppe, worunter Mademoiselle Georges und Bocage, besitzt. Hierauf folgt das Ambigu-Comique, wo es schon mit Darstellung und Darstellern schlechter bestellt ist, aber noch immer das romantische Drama tragiert wird. Von da gelangen wir zu Frankoni, welche Bühne jedoch in dieser Reihe nicht mitzurechnen ist, da man dort mehr Pferde- als Menschenstücke aufführt. Dann kommt La Gailté, ein Theater, das unlängst abgebrannt, aber jetzt wieder aufgebaut ist und von außen wie von innen seinem heiteren Namen entspricht. Das romantische Drama hat hier ebenfalls das Bürgerrecht, und auch in diesem freundlichen Hause fließen zuweilen die Tränen und pochen die Herzen von den furchtbarsten Emotionen; aber hier wird doch schon mehr gesungen und gelacht, und das Vaudeville kommt schon mit seinem leichten Geträller zum Vorschein. Dasselbe ist der Fall in dem danebenstehenden Theater Les Folies dramatiques, welches ebenfalls Dramen und noch mehr Vaudevilles gibt; aber schlecht ist dieses Theater nicht zu nennen, und ich habe dort manches gute Stück aufführen, und zwar gut aufführen sehen. Nach den Folies dramatiques, dem Werte wie dem Lokale nach, folgt das Theater von Madame Sacqui, wo man ebenfalls noch Dramen, aber äußerst mittelmäßige, und die miserabelsten Singspäße gibt, die endlich bei dem benachbarten Fünembülen in die derbsten Possenreißereien ausarten. Hinter der Fünembülen, wo einer der vortrefflichsten Pierrots, der berühmte Debureau, seine weißen Gesichter schneidet, entdeckte ich noch ein ganz kleines Theater, welches Lazarry heißt, wo man ganz schlecht spielt, wo das Schlechte endlich seine Grenzen gefunden, wo die Kunst mit Brettern zugenagelt ist.
    Während Ihrer Abwesenheit ist zu Paris noch ein neues Theater errichtet worden, ganz am Ende des Boulevards, bei der Bastille, und heißt Théâtre de la Porte Saint-Antoine. Es ist in jeder Hinsicht hors de ligne, und man kann es weder seiner artistischen noch

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