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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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unerwähnt lassen. Auch keine vergleichende Diskussion über Rossini und Meyerbeer, in gewöhnlicher Weise, haben Sie von mir zu befürchten. Ich beschränke mich darauf, beide zu lieben, und keinen von beiden liebe ich auf Unkosten des anderen. Wenn ich mit ersterem vielleicht mehr noch als mit letzterem sympathisiere, so ist das nur ein Privatgefühl, keineswegs ein Anerkenntnis größeren Wertes. Vielleicht sind es eben Untugenden, welche manchen entsprechenden Untugenden in mir selber so wahlverwandt anklingen. Von Natur neige ich mich zu einem gewissen Dolcefarniente, und ich lagere mich gern auf blumige Rasen und betrachte dann die ruhigen Züge der Wolken und ergötze mich an ihrer Beleuchtung; doch der Zufall wollte, daß ich aus dieser gemächlichen Träumerei sehr oft durch harte Rippenstöße des Schicksals geweckt wurde, ich mußte gezwungenerweise teilnehmen an den Schmerzen und Kämpfen der Zeit, und ehrlich war dann meine Teilnahme, und ich schlug mich trotz den Tapfersten… Aber ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, meine Empfindungen behielten doch immer eine gewisse Abgeschiedenheit von den Empfindungen der anderen; ich wußte, wie ihnen zumute war, aber mir war ganz anders zumute wie ihnen; und wenn ich mein Schlachtroß auch noch so rüstig tummelte und mit dem Schwert auch noch so gnadenlos auf die Feinde einhieb, so erfaßte mich doch nie das Fieber oder die Lust oder die Angst der Schlacht; ob meiner inneren Ruhe ward mir oft unheimlich zu Sinne, ich merkte, daß die Gedanken anderörtig verweilten, während ich im dichtesten Gedränge des Parteikriegs mich herumschlug, und ich kam mir manchmal vor wie Ogier der Däne, welcher traumwandelnd gegen die Sarazenen focht. Einem solchen Menschen muß Rossini besser zusagen als Meyerbeer, und doch zu gewissen Zeiten wird er der Musik des letzteren, wo nicht sich ganz hingeben, doch gewiß enthusiastisch huldigen. Denn auf den Wogen Rossinischer Musik schaukeln sich am behaglichsten die individuellen Freuden und Leiden des Menschen; Liebe und Haß, Zärtlichkeit und Sehnsucht, Eifersucht und Schmollen, alles ist hier das isolierte Gefühl eines einzelnen. Charakteristisch ist daher in der Musik Rossinis das Vorwalten der Melodie, welche immer der unmittelbare Ausdruck eines isolierten Empfindens ist. Bei Meyerbeer hingegen finden wir die Oberherrschaft der Harmonie; in dem Strome der harmonischen Massen verklingen, ja ersäufen die Melodien, wie die besonderen Empfindungen des einzelnen Menschen untergehen in dem Gesamtgefühl eines ganzen Volkes, und in diese harmonischen Ströme stürzt sich gern unsre Seele, wenn sie von den Leiden und Freuden des ganzen Menschengeschlechts erfaßt wird und Partei ergreift für die großen Fragen der Gesellschaft. Meyerbeers Musik ist mehr sozial als individuell; die dankbare Gegenwart, die ihre inneren und äußeren Fehden, ihren Gemütszwiespalt und ihren Willenskampf, ihre Not und ihre Hoffnung in seiner Musik wiederfindet, feiert ihre eigene Leidenschaft und Begeisterung, während sie dem großen Maestro applaudiert. Rossinis Musik war angemessener für die Zeit der Restauration, wo, nach großen Kämpfen und Enttäuschungen, bei den blasierten Menschen der Sinn für ihre großen Gesamtinteressen in den Hintergrund zurückweichen mußte und die Gefühle der Ichheit wieder in ihre legitimen Rechte eintreten konnten. Nimmermehr würde Rossini während der Revolution und dem Empire seine große Popularität erlangt haben. Robespierre hätte ihn vielleicht antipatriotischer, moderantistischer Melodien angeklagt, und Napoleon hätte ihn gewiß nicht als Kapellmeister angestellt bei der Großen Armee, wo er einer Gesamtbegeisterung bedurfte… Armer Schwan von Pesaro! der gallische Hahn und der kaiserliche Adler hätten dich vielleicht zerrissen, und geeigneter als die Schlachtfelder der Bürgertugend und des Ruhmes war für dich ein stiller See, an dessen Ufer die zahmen Lilien dir friedlich nickten und wo du ruhig auf und ab rudern konntest, Schönheit und Lieblichkeit in jeder Bewegung! Die Restauration war Rossinis Triumphzeit, und sogar die Sterne des Himmels, die damals Feierabend hatten und sich nicht mehr um das Schicksal der Völker bekümmerten, lauschten ihm mit Entzücken. Die Juliusrevolution hat indessen im Himmel und auf Erden eine große Bewegung hervorgebracht, Sterne und Menschen, Engel und Könige, ja der liebe Gott selbst wurden ihrem Friedenszustand entrissen, haben wieder viel

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