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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Leichtsinnigkeiten oder gar einen Mangel an ehrlichem Wollen herauszuklauben. Wer aber den Geist meiner Mitteilungen auffaßt, wird die strengste Einheit der Ansichten und unwandelbare Liebe für die Sache der Menschheit und ein Beharren in meinen demokratischen Grundsätzen überall erblicken. Die örtlichen Schwierigkeiten, die ich eben erwähnt, waren die Zensur; diejenige, welche die Redaktion der Allgemeinen Zeitung ausübte, war noch beengender als die Zensur der bayrischen Staatsbehörde. Ich mußte das Schiff meines Gedankens oft mit Flaggen bewimpeln, deren Embleme nicht eben der rechte Ausdruck meiner Gesinnung waren. Aber den publizistischen Freibeuter kümmerte es wenig, von welcher Farbe der Lappen war, der am Mastbaum seines Fahrzeugs hing und womit die Winde ihr luftiges Spiel trieben: ich dachte nur an die gute Ladung, die ich an Bord hatte und in den Hafen der öffentlichen Meinung hineinschmuggeln wollte. Dieses gelang mir oft, und man darf mich nicht an dem Mittel mäkeln, das ich zuweilen anwandte, um den frommen Zweck zu erreichen. Die Traditionen der Allgemeinen Zeitung kennend, wußte ich zum Beispiel, daß sie es sich immer zur Aufgabe gestellt hatte, alle Fakta der Zeit nicht bloß zur schnellsten Kenntnis des Publikums zu bringen, sondern sie auch vollständig gleichsam wie in einem Weltarchiv einzuregistrieren. Ich mußte daher darauf bedacht sein, alles, was ich insinuieren wollte, das Ereignis sowohl als meine Ansicht darüber, alles, was ich dachte und fühlte, in die Form des Faktums zu kleiden, indem ich etwa fremden Personen meine Privatmeinungen in den Mund legte oder gar parabolisch verfuhr. Meine Briefe enthalten daher viel Historietten und Arabesken, deren Symbolik nicht jedem verständlich ist, und die dem rohen Gaffer als kleinliche Anekdotenkrämerei oder gar als Commerage erscheinen konnte. Bei diesem Bestreben, die Form des Faktums vorwalten zu lassen, war auch die Tonart ein wichtiges Mittel, wodurch ich es möglich machte, das Verfänglichste zu referieren. Die probateste Tonart war aber die Indifferenz. Indirekt ließ sich auch manches Nützliche kundgeben, und die Republikaner, welche sich über Inoffiziosität von meiner Seite beklagen, haben übersehen, wie ich in Fällen, wo es Not tat, sie ernsthaft genug vertrat, so wie auch daß ich die Misere der herrschenden Bourgeosie unablässig in ihrer widerwärtigsten Blöße zeigte. Sie sind so schwer von Begriffen, diese Republikaner, von welchen ich übrigens früherhin eine weit bessere Meinung hegte. Ich glaubte, ihre Beschränktheit sei nur Verstellung, die Republik spiele die Rolle eines Junius Brutus, um durch den Schein der Imbezillität das Königtum sorglos zu machen und es so einst desto sicherer zu verderben – aber nach der Februarrevolution erkannte ich meinen Irrtum, ich sah, daß die Republikaner wirklich ehrliche Leute waren, die sich nicht verstellen konnten, und wirklich das waren, wonach sie aussahen.
    Waren die Republikaner ein bedenkliches Thema für den Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung, so waren es noch in höherm Grade die Sozialisten oder, um das Schrecknis bei seinem rechten Namen zu nennen, die Kommunisten. Und dennoch gelang es mir, dieses Thema in der Allgemeinen Zeitung zu besprechen. Gar manchen Brief unterdrückte die Redaktion, in der wohlmeinenden Furcht, daß man den Teufel nicht an die Wand malen dürfe. Aber nicht alles durfte sie vertuschen, und, wie gesagt, es gelang, das fürchterliche Thema zur Sprache zu bringen, zu einer Zeit, wo noch niemand eine Ahnung von seiner wahren Bedeutung hatte. Ich malte den Teufel an die Wand, oder, wie ein geistreicher Freund sich ausdrückte, ich machte ihm eine höllische Reklame. Die Kommunisten, die vereinzelt in allen Landen verbreitet, ohne bestimmtes Bewußtsein ihres Wollens, erfuhren durch die Allgemeine Zeitung, daß sie wirklich existierten, erfuhren auch bei solcher Gelegenheit ihren wirklichen Namen, der manchem dieser armen Findelkinder der alten Gesellschaft ganz unbekannt war. Durch die Allgemeine Zeitung erhielten die zerstreuten Kommunistengemeinden authentische Nachrichten über die täglichen Fortschritte ihrer Sache, sie vernahmen zu ihrer Verwunderung, daß sie keineswegs ein schwaches Häuflein, sondern die stärkste aller Parteien, daß ihr Tag noch nicht gekommen, daß aber ruhiges Warten kein Zeitverlust sei für Leute, denen die Zukunft gehört. Dieses Geständnis, daß den Kommunisten die Zukunft gehört, machte ich

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