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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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fashionabelste aller Sonderlinge, Diogenes zu Pferde, dem ein eleganter Groom die Laterne vorträgt, womit er einen Menschen sucht. – Sucht er ihn in Sandomir oder in Sandomich, wo ihm der große Wind, der durch das Brandenburger Tor weht, die Laterne ausbläst? Oder trabt er jetzt auf dem höckerichten Rücken eines Kamels durch die arabische Sandwüste, wo der langbeinichte Hut-Hut, den die deutschen Dragomanen den Legationssekretär von Wiedehopf nennen, an ihm vorüberläuft, um seiner Gebieterin, der Königin von Saba, die Ankunft des hohen Gastes zu verkünden – denn die alte fabelhafte Person erwartet den weltberühmten Touristen auf einer schönen Oase in Äthiopien, wo sie mit ihm unter wehenden Fächerpalmen und plätschernden Springbrunnen frühstücken und kokettieren will, wie einst auch die verstorbene Lady Esther Stanhope getan, die ebenfalls viele kluge Rätselsprüche wußte – Apropos: aus den Memoiren, welche ein Engländer nach dem Tode dieser berühmten Sultanin der Wüste herausgegeben, habe ich nicht ohne Verwunderung gelesen, daß die hohe Dame, als Ew. Durchlaucht sie auf dem Libanon besuchten, auch von mir sprach und der Meinung gewesen, ich sei der Stifter einer neuen Religion. Du lieber Himmel! da sehe ich, wie schlecht man in Asien über mich unterrichtet ist! –
    Ja, wo ist jetzt der wandersüchtige Überall-und-Nirgends? Korrespondenten einer mongolischen Zeitung behaupten, er sei auf dem Wege nach China, um die Chinesen zu sehen, ehe es zu spät ist und dieses Volk von Porzellan in den plumpen Händen der rothaarichten Barbaren ganz zerbricht – ach! seinem armen wackelköpfigen Porzellan-Kaiser ist schon vor Gram das Herz gebrochen! – Der »Calcutta Advertiser« scheint der obenerwähnten mongolischen Zeitungsnachricht keinen Glauben zu schenken und behauptet vielmehr, daß Engländer, welche jüngst den Himalaja bestiegen, den Fürsten Piukler-Miuskau auf den Flügeln eines Greifen durch die Lüfte fliegen sahen. Jenes Journal bemerkt, daß der erlauchte Reisende sich wahrscheinlich nach dem Berge Kaf begab, um dem Vogel Simurgh, der dort haust, seinen Besuch abzustatten und mit ihm über antediluvianische Politik zu plaudern. – Aber der alte Simurgh, der Dekan der Diplomaten, der Exwesir so vieler präadamitischen Sultane, die alle weiße Röcke und rote Hosen getragen, residiert er nicht während den Sommermonaten auf seinem Schloß Johannisberg am Rhein? Ich habe den Wein, der dort wächst, immer für den besten gehalten, und für einen gar klugen Vogel hielt ich immer den Herrn des Johannisbergs; aber mein Respekt hat sich noch vermehrt, seitdem ich weiß, in welchem hohen Grade er meine Gedichte liebt und daß er einst Ew. Durchlaucht erzählte, wie er bei der Lektüre derselben zuweilen Tränen vergossen habe. Ich wollte, er läse auch einmal zur Abwechslung die Gedichte meiner Parnaßgenossen, der heutigen Gesinnungspoeten; er wird freilich bei dieser Lektüre nicht weinen, aber desto herzlicher lachen. –
    Jedoch noch immer weiß ich nicht ganz bestimmt den Aufenthaltsort des Verstorbenen, des lebendigsten aller Verstorbenen, der soviel Titularlebendige überlebt hat. – Wo ist er jetzt? Im Abendland oder im Morgenland? In China oder in England? In Hosen von Nanking oder von Manchester? In Vorderasien oder in Hinterpommern? Muß ich mein Buch nach Kyritz adressieren oder nach Tombuktu, poste restante? – Gleichviel, wo er auch sei, überall verfolgen ihn die heiter treuherzigsten und wehmütig tollsten Grüße seines ergebenen
    Paris, den 23. August 1854
    Heinrich Heine.
Erster Teil
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    IV ~ V ~ VI ~ VII
    VIII ~ IX ~ X
    XI ~ XII ~ XIII
    XIV ~ XV ~ XVI ~ XVII
    XVIII ~ XIX ~ XX
    XXI ~ XXII ~ XXIII
    XXIV ~ XXV ~ XXVI ~ XXVII
    XXVIII ~ XXIX ~ XXX
    XXXI ~ XXXII ~ XXXIII ~ XXXIV
    XXXV ~ XXXVI ~ XXXVII
    XXXVIII ~ XXXIX ~ XL ~ XLI ~ XLII
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I
    Paris, 25. Februar 1840
    Je näher man der Person des Königs steht und mit eigenen Augen das Treiben desselben beobachtet, desto leichter wird man getäuscht über die Motive seiner Handlungen, über seine geheimen Absichten, über sein Wollen und Streben. In der Schule der Revolutionsmänner hat er jene moderne Schlauheit erlernt, jenen politischen Jesuitismus, worin die Jakobiner manchmal die Jünger Loyolas übertrafen. Zu diesen Errungenschaften kommt noch ein Schatz angeerbter Verstellungskunst, die Tradition seiner Vorfahren, der französischen Könige, jener ältesten Söhne der Kirche, die immer weit mehr

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