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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ein, um etwas zu sehen. – Die zwei Welten waren nun für ihn in eine zusammengefallen; gefaßt erwartete er den Freund aus der Welt hinter den Sonnen und wollte an seine Ätherbrust stürzen mit einer von Erde. Er glühte sich ab, und ging endlich mit dem Schaudern der Seele und der Haut ins Bett zurück. Aber lange werden von dieser Stunde her, wie von der Gegend eines Gewitters die Winde, die Bewegungen seiner Seele wehen.
    – – Der alte Starmatz tats vermutlich, der, so viel ich weiß, aus dem Bauer entkommen war. Gustav erfuhr es nicht. Ob eine Seele Wellen gleich einem Setzteich, so hoch wie Hemd-Jabots, oder gleich dem Ozean solche wie Alpen schlage, das ist zweierlei; ob diese hohen Bewegungen ein Star erregt oder ein Seliger, das ist einerlei.
    Der Professor lehrte ihm unter meinen Ohren güldne Brokardika der Menschenkenntnis, die er durch das Lehren selber übertrat – z. B.: Nicht bloß die Liebe, sondern auch der Haß der Menschen ist veränderlich, und beide sterben, wenn sie nicht wachsen. – Die meisten reden bloß gegen die Laster, die sie selber haben. – Je größer das Genie, je schöner der Körper ist, desto mehr verzeiht ihnen die Welt; je größer die Tugend ist, desto weniger verzeiht sie ihr. – jeder Jüngling denkt, keiner gleiche ihm in Gefühlen etc.; aber alle Jünglinge gleichen sich. – Man muß sich nie entschuldigen; denn nicht die Vernunft, sondern die Leidenschaft des andern zürnt auf uns, und gegen diese gibt es keinen Grund als die Zeit. – Die Menschen lieben ihre Freuden mehr als ihr Glück, einen guten Gesellschafter mehr als den Wohltäter, Papageien, Schoßhunde und Affen mehr als nützliche Lasttiere. – Man errät die Menschen, wenn man ihnen keine Grundsätze zutraut; und der Argwöhnische hat allemal recht, er errät, wenn nicht die Handlungen des andern, doch seine Gedanken ; die Niederlagen des Schlimmen und die Versuchungen des Guten. – Die Sünde gegen den heiligen Geist, die dir keiner vergibt, ist die gegen seinen Geist, d. h. gegen seine Eitelkeit; und der Schmeichler gefället, wenn nicht durch seine Überzeugung, doch durch seine Erniedrigung etc.
    Es gibt gewisse Regeln und Mittel der Menschenkenntnis, die der bessere höhere Mensch verschmäht und verdammt, und die gerade diesen nicht erraten helfen und die ihn weder belehren noch erforschen. – Der Professor riet noch meinem Gustav, sein Gesicht zu formen, Tugend auf demselben zu silhouettieren, es vor dem Spiegel auszuplätten und es mit keinen heftigen Regungen zu zerknallen. Ich weiß es selber, für Weltleute ist der Spiegel noch das einzige Gewissen, das ihnen ihre Fehler vorhält und das man, wie das Gehirn, ins große und kleine einteilen muß; das große Gewissen sind Wand- und Pfeilerspiegel, das kleine steckt in Etuis und wird als Taschenspiegel herausgezogen; für die Weltleute; aber für dich, Gustav? – du, der du den obigen Dekalogus für Spitzbuben nicht annehmen, nicht einmal verstehen oder nützen kannst – denn man nützt und versteht nur solche Lebensregeln, von denen man die Erfahrungen, worauf sie ruhen, so durchgemacht, daß man die Regeln hätte selber geben können – du, den ich gelehrt, daß Tugend nichts sei als Achtung für das fremde und für unser Ich, daß es besser sei, an keine Laster als an keine Tugend zu glauben, daß die Schlimmsten nur ihre eigne Kaste und die Besten noch eine mehr kennen?… Wenn Gustav nicht gegen jene Lehren, die meistens Wahrheiten sind, und gegen den Lehrer aufgefahren wäre; wenn er nicht geschworen hätte, daß diese ekelhafte Kanker-Philosophie nie über eine Ecke seines Herzens sich spinnen und kleben sollte: so hätt’ ich von ihm nicht einmal so gut gedacht als von der Residentin von Bouse, der das System des Helvetius so schön wie sein Gesicht vorkommt; denn in ihrem Stande hat oft das beste Herz die schlimmste Philosophie.
    Es wird kaum die Mühe verlohnen, daß ichs hersetze, daß der Spitzbube Robisch zum Henker gejagt wurde, weil er einen entwischten Rekruten für einen neuen ausgab und verrechnete. Wenn ich sagte: zum Henker gejagt, so satirisierte ich; denn zum Herrn von Röper wars, der keine Bediente annimmt als die, welche Livree-Polyhistore wie Robisch sind, d. h. zugleich Jäger, Gärtner, Schreiber, Bauern und Bediente. –

Einundzwanzigster oder Michaelis-Sekto r
     
    Neuer Vertrag zwischen dem Leser und Biographen – Gustavs Brief
    »Ziehe hin, Geliebter,« (sagt’ ich) »den das Welt-Meer mitnimmt;

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