Saemtliche Werke von Jean Paul
das Sonnenbild deines verborgen fehlenden Herzens lächle aus dem Meergrund und schwimme mit dir! Dein junges Herz bringest du nicht mehr nach Auenthal! – O daß doch die Früchte am Menschen ein andres Wetter haben müssen als seine Blüten – statt des Hauches des Lenzes den Stich des Augusts und den Sturm des Herbstes!« Ich dachte dies, solange sein Wagen in meinen Augen blieb; nachher ging ich in die Gartenhöhle hinunter zu den zwei Mönchen; und als ich dachte: in euerer kalten Stein-Brust wohnt kein Wunsch, kein Sehnen, kein Schmerz, kein – Herz: »Eben darum«, sagt’ ich in anderem Sinn.
Heute ist Michaelis, und heute – ich kann mich nicht länger verstellen – bejährt sich seine Abreise. Heute fängt zwischen mir und dem Leser ein ganz neues Leben an, und wir wollen ruhig alles miteinander vorher ausmachen.
Erstlich bin ich zwar ein Jahr hinter Gustavs Leben zurück; aber in acht Wochen gedenk’ ich solches erschrieben zu haben. Ich verhoffte freilich schon vor einem halben Jahre, nun käm’ ich ihm nach; aber ein Leben ist leichter zu führen als zu schildern, zumal gut stilisiert. Überhaupt kann ein Autor – ein guter – leichter die Sterne des Himmels zählen als seine zukünftigen Bogen, die auch Sterne sind. Schlüßlich erwartet man, daß die Literatur-Zeitung wenigstens so viel bedenke, daß ich ein Rechtsfreund bin und unmöglich für sie so viel zu schreiben vermag wie für ganze Kollegien, Fakultäten und höchste Reichsgerichte. Kennt die Literatur-Zeitung meine entsetzlichen Arbeiten? Man muß meinen Speiseschrank voll Manualakten gesehen haben, in denen noch dazu kein Wort steht, weil ich sie erst aus der Papiermühle holen ließ, oder man muß in meiner Gerichthalterei in Schwenz, worin die 12 Untertanen und der Lehn- und Gerichtherr selber Bauern sind, gewesen sein, um von mir nicht mehr zu fordern als jährlich ein Buch. Wer ist um ganz Scheerau derjenige Sachwalter, der in einem Prozesse dient, welcher mit nächstem – der Teufel müßte sein Spiel haben – zum Wetzlaer Tor unter die Sessiontische des Reichskammergerichts, das von gutem Stil weiß, dürfte hingetrieben werden? Und doch diente der Prozeß, wie Peter der Große, von unten auf und bestieg, wie die Styliten-Sekte, immer höhere Stühle.
Zweitens – oder das ist noch erstlich: ich kann folglich, gleich den Juden, nur am Sabbat oder Sonntag auf die Plastik meines Seelen-Fötus denken, an Wochentagen wird nichts geschrieben – als zwar auch Biographien, aber nur von Schelmen, man meint Protokolle und Klaglibelle.
Zweitens oder drittens bin ich der Insaß eines Schulmeistertums. – Der gute Rittmeister wollte mich, da sein Sohn zur Tür hinaus war, mit Personalarrest belegen, der bei mir zugleich Realarrest ist, weil mein Mobiliar-Vermögen in meinem Körper und mein Immobiliar-Vermögen in meiner Seele besteht; ich sollte auf seinem Schlosse so lange advozieren und satirisieren, als ich wollte. Es wäre zu wünschen, sein alter Gerichthalter verbliche: so würde ich der neue; denn abdanken kann sein gutes Herz – dem doch mein spitzbübisches, an Hoffeinheiten verwöhntes den Mangel der letzten nicht allemal vergeben mag – keinen Menschen. Behalte deinen gesunden Nord-Ost-Atem, behalte deine Hände mit dem prügelnden Stab Wehe und deine Zunge mit ihrem Paar Donnerwettern und tausend Teufeln, mein Falkenberg!
Ich blieb auch bei ihm im Winter; aber heuer im Frühjahr zog ich an den Ort herab, wo ich dieses schreibe – in die obere Stube des Auenthaler Schulmeister Sebastian Wutz . Ich hatte vielleicht die drei vernünftigsten Gründe von der Welt dazu; ich schwind’ erstlich nirgends mehr ein als in einem Vatikan voll öder Klüfte, in Sara-Wüsten von leeren Zimmern; ein Eßsaal mit seiner Möblen-Armut ist für mich ein Patmos, und bloß in kleinen Stübchen wird man größer. Der Mensch sollte von Jahr zu Jahr in immer kleinere Zellen kriechen, bis er in die kleinste schlüpfte, d. h. ins engste Loch dieses gequetschten Silberdrahts. – Der zweite Grund war Herr Fortius (in Morhof. Polyhist. L. II. c. 8.), welcher Gelehrten anrät, alle halbe Jahre die Städte zu wechseln, damit sie besser schrieben – und in der Tat schreibt man besser nach jeder Veränderung, und wäre es eine des Schreibepults. Ohne solche auffrischende Luft schreibt sich die Seele so tief in ihren Hohlweg hinein, daß sie darin steckt, ohne Himmel und Erde zu sehen. Aus gegenwärtigem Werke könnte vielleicht etwas
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