Saemtliche Werke von Jean Paul
brillant zuging, daß der Greis gar nicht wußte, daß Oefel bei ihm gespeiset und getanzt. Da sein Bruder Oberhofmarschall und er selber sehr reich war: so hatte niemand in ganz Scheerau Geschmack genug, seine Verse zu lesen, als der Hof; für den waren sie; der konnte solche Verse wie die Graspartien des Parks ungehindert durchlaufen, so klein, weich und beschoren war ihr Wuchs – zweitens gab er sie nicht auf Druckpapier, sondern auf seidnen Bändern, Strumpfbändern, Bracelets, Visitenkarten und Ringen heraus. Unter andern Flöhen, die auf dem Ohrentrommelfell des Publikums auf- und abspringen und sich hören lassen, bin auch ich und donnere mit; aber Oefel ahmte keinen von uns nach und verachtete dich sehr, mein Publikum, und setzte dich Höfen nach: »Mich«, sagt’ er, »soll niemand lesen, wenn er nicht jährlich über 7000 Livres zu verzehren hat.«
Künftigen Sommer reiset er als Envoyé an den **schen Hof ab, um die Unterhandlungen wegen der Braut des Fürsten, die schon neben ihrer Wiege angesponnen und abgerissen wurden, neben ihrem Doktor-Grahams-Bette wieder anzuknüpfen. Der Fürst mußte sich im Grunde mit ihr vermählen, weil ein gewisser dritter Hof, der nicht genennt werden darf, sie dadurch einem vierten, den ich gern nennen möchte, entziehen wollte. Man glaube mir aber, es glaubt kein Mensch am ganzen Hofe des Bräutigams, daß er an den Hof der Braut verschickt werde, weil dort etwa schöne Geister und schöne Körper gesuchte Ware sind: wahrhaftig in beiden Schönheiten war er von jedem zu überbieten; aber in einer dritten Schönheit war ers nur leider nicht, die einem Envoyé noch nötiger und lieber als die moralische ist – im Geld. An einem insolventen Hof hat der Fürst die erste und der Millionär die zweite Krone. Ich habe oft den verdammten Erbschaden des scheerauischen Fürstentums verflucht und besehen, daß selten genug da ist, und wir hälfen uns gern durch einen Nationalbankerutt, wenn wir nur vorher Nationalkredit bekämen. Aber außer diesem Fürstentum hab’ ich auf meinen Reisen folgende vier Regionen nirgends angetroffen als am Ätna selber: erstlich die fruchtbare und zweitens die waldige Region unten am Throne, wo Früchte und grasendes und jagdbares Pöbelwild zu haben ist, drittens die Eisregion des Hofes, die nichts gibt als Schimmer, viertens die Feuerregion der Thronspitze, wo außer dem Krater wenig da ist. Ein Thron-Krater kann selber Goldberge einschlucken, verkalken, auswerfen als Lava.
Zum Unglück gefiel ihm Gustav, weil er seine jugendliche Menschenfreundlichkeit für ausschließende Anhänglichkeit an sich ansah, seine Bescheidenheit für Demütigung vor Oefelscher Größe, seine Tugenden für Schwachheiten. Er gefiel ihm, weil Gustav für die Poesie Geschmack und folglich, schloß er, für die seinige den größten hatte: denn Oefels adeliges Blut lief wider die Natur in einer dünnen poetischen Ader , und in einer satirischen dazu, dacht’ er. Vielleicht fand auch Gustav in seinen Jahren des Geschmacks, wo den Jüngling die poetischen kleinern Schönheiten und Fehler entzücken, zuweilen die Oefelschen gut. Wie nun schon Rousseau sagt, er könne nur den zum Freund erwählen, dem seine Heloise gefalle: so können Belletristen nur solchen Leuten ihr Herz verschenken, die mit ihnen Ähnlichkeit des Herzens, Geistes und folglich des Geschmackes haben und die mithin die Schönheiten ihrer Dichtungen so lebhaft empfinden als sie selber.
Was indessen Oefel an Gustav am höchsten schätzte, war, daß er in seinen Roman zu pflanzen war. Er hatte in der Kadetten-Arche siebenundsechzig Exemplare studiert, aber er konnte davon keines zum Helden seines Buchs erheben, zum Großsultan , als das achtundsechzigste, Gustav.
Und der ist gerade mein Held auch. Das kann aber unerhörte Leselust mit der Zeit geben, und ich wollte, ich läse meine Sachen und ein andrer schriebe sie.
Er wünschte meinen Gustav zum künftigen Erben des ottomanischen Throns auszubilden, ihm aber kein Wort davon zu sagen, daß er Großherr würde – weder im Roman noch im Leben; – er wollte alle Wirkungen seines pädagogischen Lenkseils niederschreiben und übertragen aus dem lebendigen Gustav in den abgedruckten. Aber da setzte sich dem Bileam und seiner Eselin ein verdammter Engel entgegen; Gustav nämlich. Oefel wollte und mußte aus dem Kadettenhause, wo seine Zwecke befriedigt waren, ins alte Schloß zurück, wo neue seiner warteten. Erstlich aus dem alten Schloß konnt’ er
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