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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Kriege, wie sonst die italienischen, in nichts bestehen als in Marschieren, aus Ländern in Länder. So bestehen auch die Feldzüge auf dem Theater bloß in wiederholten Märschen um das Theater, aber in kürzern. Ich ging vor einem Jahre zum Scherze ½ Stunde neben einem Regimente her und machte mir weis: »Jetzt tuest du im Grunde einen halbstündigen Feldzug gegen den Feind mit; aber die Zeitungen gedenken deiner schwerlich, ob du und das Regiment gleich durch diese kriegerische Vexier-Prozession ebensoviel Landplagen abwenden als die Klerisei durch geistliche singende Prozessionen.«
    Er ängstigte ihn, sagt’ ich; er schilderte die Heerschau nämlich: »Friedrich II. tat kleinere Wunder, als man da vom Kadetten-Korps fordern wird! Mehr Blessierte als Blessierende wird es geben! Unter allen Zelten und Kasernen wird man reden von der letzten Scheerauer Heerschau!« Gustav hatt’ es im kleinen Dienst längst so weit gebracht, daß er imstande war, mit der Fortifikation seines Leibes wenigstens einen zu verwunden, diesen Leib selber. – Ich werde die Angst der Welt sicher nicht vermindern, wenn ich noch erzähle, daß Gustav regelmäßig alle sieben Wochen auf fünf Tage verreiset, woraus seine Freunde und der Biograph selber gerade so klug werden als die ältesten Leser – daß Oefel ihm durch geheimes Intrigieren seinen Urlaub so sauer machte, daß er ihn um diesen Preis kein zweites Mal begehren konnte – daß Gustav vom letzten Verreisen an den Dr. Fenk einen Brief von Ottomar heimbrachte, den man zwar dem Leser nicht vorenthalten wird, von dessen Überkommung man ihm aber nichts entdecken kann, weil man selber nichts davon weiß.
    Aus allen diesen Dornen und aus der blessierenden Heerschau rettete unsern Gustav eine fremde Infamie. Nach der gedachten Rückkehr wurde in Oberscheerau ein Offizier, dessen Namen und Regiment man hier aus Schonung seiner vornehmen Familie unterdrücken will, für ehrlos erklärt, weil er mit Spitzbuben Verbindung gehabt. Als der Profos ihm in der Mitte des Regiments, das er entehret hatte, den Degen und das Wappen zerknickte und die Uniform abriß und ihm alles nahm, was den gebückten Menschen noch in die Höhe richtet im Unglück: so stürzte Gustav, dessen Ehrgefühl sogar aus den Wunden eines fremden blutete und der noch nie den schwarzen Anblick einer öffentlichen Bestrafung erlebt hatte, in Ohnmacht zusammen; sein erster Laut nach der Belebung war: »Soldat gewesen auf ewig! – Wenn der arme Offizier unschuldig war oder wenn er besser wird: wer gibt ihm die ermordete Ehre wieder? – Nur der untrügliche Gott kann sie nehmen; aber der Kriegsrat sollte nichts nehmen als das Leben! – Die Bleikugel, aber nicht die Infamie!« rief er wie in einer Verzuckung. Ich denke, er hat recht. Zwei Tage war er krank, und seine Phantasien schleiften ihn in die Räuber-Katakomben des Infamierten hinein – – zum neuen Beweis, daß die Fieberbilder der armen, aus dem Krankenbette ins Grab hineingefolterten Menschen nicht immer die Steckbriefe und Abdrücke ihres Innern sind! – Gemarterte Brüder! wie lieb’ ich euch jetzt und den sanften Gustav in dieser Minute, wo meine Phantasie unter euch alle hineinblickt, wie ihr, vom Zickzack des Schicksals herumgetrieben, mit eueren Wunden und Tränen müde nebeneinander stehet, einander umfasset, einander beklagt und einander – begrabet! –
    Solang’ er krank war und phantasierte: hing Amandus an seinen glühenden Augen und litt so viel wie er und vergab ihm alles. – Als der Doktor Fenk versicherte, am Morgen sei er genesen: so kam Amandus am Morgen nicht und wollte wieder hartherzig sein.
    Oefel genoß den Sieg seines Plans. Er trug sich selber die Einlenkung des alten Falkenbergs auf und schrieb eigenhändig an den Mann. Da er mit Dinte den guten Vater auf den mosaischen Berg stellete, hinter dem Berg den Prospekt des gelobten Landes der Gesandtschaft, und mitten ins Kanaan den jungen Legationsekretär. so hatte der gute Mann die Freude vieler Eltern, die ihre Kinder gern das werden sehen, was sie selber zu werden hasseten oder nicht vermochten. Er kam zu mir mit dem Briefe und ritt unter mein Fenster. – Alles, was Gustav noch innerlich gegen seine Versetzung ins alte Schloß zu sagen hatte, war, daß die schöne Beata im neuen wohnte, welches vom alten bloß durch eine halbierte Mauer abgeschieden war, und daß er Amandus’ Verdacht bewährte. Aber zum Glück verfiel er nach dem Entschlusse auf den eigentlichen Beweggrund,

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